Liebe mit Zwanzig

Die Verarbeitung einer Trennung mag sich seit Truffauts Episodenfilm, der für diesen Artikel den Titel spendiert, stark gewandelt haben. Mit „Dry Food“ setzt Ellen Kempner alias Palehound jedoch auf ähnliche Bewältigungsstrategien.

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Mag Palehounds musikalische Schrebergarten-Nachbarin Waxahatchee (Katie Crutchfield) in Sachen Beziehungsformen zeitgenössische Nicht-Beziehungen („I’m Good“) präferieren, so hat die 21-jährige Kempner die erste Liebe samt Trennung bereits hinter sich. Diese nutzte sie auch gleich, um die kalt-warme Gefühlsdusche, die der Phantomschmerz mit sich brachte, ziemlich offenherzig in ihrem vorliegenden Debüttagebuch zu dokumentieren. Was dann folgendermaßen aussieht: „You made beauty a monster to me / So I’m kissing all the ugly things I see“ („Dry Food“). Kennen manche vielleicht: Nach der Beziehung ist vor der Promiskuität. Und natürlich konzentriert man sich dabei gern auf das genaue Gegenteil vom bereits Bekannten.

Bei so viel Herz-auf-der-Zunge-Mentalität braucht es dann natürlich auch ein bisschen Selbstschutz vor den Jungs, die immer zu viel Wodka in die Wellness gießen: „I’m pushing back your tongue / With my clenched teeth home security system“ („Easy“).

So wie das Leben selbst ist auch „Dry Food“ voll von ständigen Drehungen und Wendungen, die schlussendlich gerne dazu führen, dass man sich aus den Augen verliert. Das Album wechselt oft die musikalische Perspektive. Kaum ein Song, der nicht mit einem Rhythmusbrecher ausstaffiert ist – kaum einer, der nicht die Pentatonik-Achterbahn am höchsten Punkt nimmt und dann damit in den Beton brettert. Die einzige Konstante findet sich in Kempners Alt-Stimme, die viel säuselt und flüstert und haucht, sich aber auch gern hinter viel wavigem Geschrammel versteckt („Healthier Folk“).

Ähnlich nachdrücklich wie die Twists und Turns, vermittelt Klempner auch ihre Vorliebe für Cartoons. Hörbar beim Scooby-Doo-Geheule in „Cinnamon“ oder beim Endgegner „Sea Konk“. Dort ist Kempner froh, nicht mehr alleine zu sein. So wie Antoine Doinel in der Abschlussszene von Truffauts Film, sitzt auch sie mit ihren Eltern (samt Hund) vor dem Fernseher und schaut – natürlich – Trickfilme. Das ist manchmal einfach weniger anstrengend als dieses Netflix and Chill.

„Dry Food“ von Palehound erscheint am 4. März 2016 bei Heavenly Recordings.

Bild(er) © Chad Kamenshine, Heavenly Recordings
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