Mäzene und das System Seidl

Michael Ostrowski und Manuel Rubey sind zwei der witzigsten, klügsten und interessantesten Schauspieler Österreichs. Aber echt, wen gibt es da sonst noch? Beweis gefällig? Wir haben uns beim Mittagessen zum Interview getroffen.

Früher gab es Kino-Kabarettfilme und Bühnenprogramme. Heute kann man dazu noch Serien, Shows, Webepisoden etc machen. Haben sich die Formate geöffnet?

Rubey: Total, die Generation Youtube ist ein Fluch und ein Segen. Die Leute können viel schneller etwas ohne Geld machen. Aber dadurch wird sie eben auch zur Generation Prekariat. Ich weiß nicht, ob ich die Frage ganz verstanden habe, aber es geht einfach viel darum, Dinge auszuprobieren. Diese Generation will jetzt arbeiten, pathetisch gesprochen.

Ostrowski: Ich finde es immer gut, mehrere Standbeine zu haben. Ich bin zum Beispiel oft unterwegs und moderiere Veranstaltungen. So erarbeitet man sich ein Publikum auch für andere Formate. Das verschafft einem einfach Unabhängigkeit.

Rubey: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denke ich. Die einzige Sicherheit, die es in dem Beruf gibt ist, dass man ein eigenes Publikum hat. Das ist aber auch das Schwierigste. In der Abhängigkeit von einem Theaterintendanten zu sein, wäre für mich der allergrößte Gräuel. Das war wirklich ganz schnell klar. Jede Schwierigkeit mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist mir da wirklich lieber.

Was bedeutet dir eigentlich deine Facebook-Page?

Rubey: Damit habe ich leider zu spät begonnen, weil ich mich Facebook lange verweigert habe. Die Page habe ich nun seit ungefähr einem Jahr. Du hast ja gar keine Facebook-Page [zu Ostrowski]. Das ist ein großer Fehler. Das sollte man schon machen. Wir müssen das nachher noch besprechen.

Ostrowski: Achso. Wieso denn? Was ist denn da jetzt eigentlich die Frage?

Da geht es doch auch um eine Möglichkeit, sich sein Publikum zu erspielen. b>Michael Niavarani zum Beispiel hat eine der größtes Pages Österreichs [205.000 Likes, Anm.]. Kann der nicht mit einem anderen Selbstverständnis zum ORF, zu ATV oder wohin auch immer gehen?

Rubey: Niavarani ist ein gutes Beispiel. Der spielt in einer Liga, in der er wirklich auf den ORF scheißen kann. Der stellt sich hin und verkauft die Halle F achtmal hintereinander aus. Das ist eine eigene Dimension. Es ist sehr tröstlich, dass so ein dicker Perser der beliebteste Österreicher ist, und die größte Marke, die es hier gibt. Das finde ich super. Facebook ist irgendwie doch ein Gradmesser. Der Schweighöfer zum Beispiel macht das gut. Ich mag zwar nicht immer, was er tut, aber mit 1,3 Millionen Facebook-Fans kann der schon etwas bewegen. Das ist schon ein tolles Tool, und es kostet nichts.

Ostrowski: Ich glaube es kann durchaus mal sein, dass ich so etwas anwende. Nur: ich spiele keine Programme und keine Konzerte. Ich muss nicht schnell Leute mobilisieren. Aber ich überlege es trotzdem, weil ich es ja super finde als Tool. Ich versuche allerdings, mein Privatleben komplett herauszuhalten und ich habe auch keine Lust, mir diese Arbeit anzutun. Es wäre wahrscheinlich wahnsinnig gescheit, aber naaa…

Ich habe gerade eine Fotostrecke auf diepresse.com gesehen, Privatfotos, die Prominente bei Facebook gepostet haben. Wie weit würdet ihr da gehen?

Rubey: Ich merke schon, wenn ich ein Foto mit der neuen Skibrille poste, dann interessiert das viel mehr Leute, als wenn ich eine gute Standard-Kritik poste. Das ist schon das Phänomen Facebook.

Ostrowski: Ich verweigere mich dem. Ich empfinde es als gesellschaftlich ganz problematische Entwicklung, dass das scheinbar Private immer interessanter wird, weil es auch immer unpolitischer wird, und die Aufmerksamkeit auf Sachen lenkt… Versteht mich nicht falsch: ich bin kein Moralist.

Rubey: Darauf ist aber Facebook eine Reaktion. Das ist eher ein Bildungsproblem. Und da bin ich Moralist. Kultur und Bildung werden vernachlässigt. Facebook könnte ja auch eine Plattform sein, wo man sich Heinrich Heine Gedichte um die Ohren haut. Da fällt mir ein Niavarani-Zitat ein: Facebook ist Stasi auf freiwilliger Basis.

Wie steht ihr zu politischem Kabarett?

Rubey: Also ich finde es nicht so interessant, irgendwie realpolitisch zu sein. Gerhard Polt hat einmal gesagt, ihn interessiere bei seiner Arbeit nicht das Aktuelle sondern das Akute, und das finde ich einen sehr schönen Ansatz. Die Auswirkungen der Politik kann man viel schöner am kleinen Menschen suchen und zeigen als in irgendeiner Faymann-Parodie. Das ist auch viel weniger belehrend.

Ostrowski: Der Polt ist ein super Beispiel, weil der macht politisches Kabarett, das immer gültig ist, und nicht plakativ.

Manuel, du hast mal Politikwissenschaft studiert und äußerst dich auch oft zu politischen Themen via Facebook.

Rubey: Ja das stimmt, aber das ist gar nichts, auf das ich stolz bin. Ich würde einen Krebs bekommen, wenn ich es nicht tun würde. Es ist einfach ein Unbehagen und eine Wut darüber, wie das Land salonfähig nach rechts rückt.

Was haltet ihr von künstlerischer Nähe zur Politik?

Rubey: Ich finde politische Haltung gehört nicht zwingend zum Künstlersein. Es ist eine heikle Entscheidung. Es gibt ja immer wieder auch österreichische Schauspieler, bei denen man das Gefühlt hat, sie stehen fast für eine Partei. Das finde ich fast gefährlich.

Ostrowski: An wen denkst du dabei?

Rubey: Wollt ihr jetzt Namen hören? Ich finde es zum Beispiel extrem bizarr, dass Ulrich Seidl im Personenkomitee für Erwin Pröll war. Das war schon grotesk.

Ostrowski: Ich habe mal mit einem FPÖ-Politiker geredet. Ich habe ihn gefragt woran es seiner Meinung nach liegt, dass kaum ein Künstler sich jemals öffentlich für die Freiheitlichen ausspricht. Das hat ihn wirklich betroffen gemacht. Er hatte keine Antwort. Sonst konnte er zu jedem Thema sofort sagen, wie die Welt läuft, aber das hat ihn wirklich angefuckt. Jetzt bin ich vielleicht vom Thema abgekommen. Der Pröll zeigt halt öffentlich, dass er künstlerische Arbeit schätzt.. Er gibt dem Seidl einen Orden, baut dem Nitsch ein Museum, und sagt: Künstler sind bei mir willkommen.

Ganz König und Kunstförderer?

Ostrowski: Ich glaube, so ist das zu verstehen. Der Fürst, der die Künstler bezahlt. Und damit hast du sie. Und daraus kann man lernen, dass man Künstler gut behandeln sollte, wenn man an der Macht ist.

Rubey: Christoph Waltz sagt zum Beispiel, die großen der Unterhaltungsindustrie in Hollywood, die sind einfach real mächtige Menschen, die etwas bewegen können. Und das ist hier in Österreich einfach nicht der Fall. Deshalb finde ich es wichtig, politische Haltung zu zeigen, aber es ist absurd zu glauben, wir könnten irgendetwas verändern.

Beeinflussen Künstler nicht das gesellschaftliche Klima ganz entscheidend?

Rubey: Es ist heikel, ich merke es gerade. Ich will mich nur nicht überschätzen. Ich würde gerne glaube, Kultur könne vieles bewirken, nur gelingt es mir nicht.

Ostrowski: Ich habe immer gedacht, es sei eine Stilfrage. Wie machst du was? Darum geht es. Bei allem was ich mache, habe ich eine Haltung. Ob ich eine Rolle spiele, etwas moderiere oder ein Drehbuch schreibe, in sich hat das alles eine Haltung, und da schwingt eine politische Haltung immer mit, und ich glaube bei jedem. Wie du etwas ausdrückst, das überträgt sich auf Leute, und ich glaube, das ist politisch. Es ist die Haltung. Ich mache halt lieber Filme über Loser, und indem ich die Entscheidung treffe, bin ich auch politisch.

Rubey: Die Haltung ist ein ganz wichtiger Punkt. Aber mein Eindruck ist, dass die Hochkultur, konkret das Theater, trotzdem ein Feld ist, in dem ein Chauvinismus noch blühen kann, den es nirgends anders mehr gibt. Wie diese Intendanten schalten und walten und mit jungen Schauspielerinnen umgehen, das ist alles Realität, wo ich sage: was bringt es, als Künstler so etwas zu akzeptieren, aber gleichzeitig zu schimpfen, Mensdorff-Pouilly ist ein korruptes Arschloch? Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Das einzige was ich tun kann, ist bei jeder einzelnen Entscheidung Haltung zu zeigen.

Ostrowski: Ich werde als Künstler niemanden dazu bringen, eine andere Partei zu wählen. Aber zu sagen: sei wie du bist, sag was du denkst, versuche frei zu sein, das ist schon genug politisches Engagement. Mehr kann man fast nicht erwarten.

www.manuelrubey.com

Facebook: Manuel Rubey

Wikipedia: Michael Ostrowski

Das Interview wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von Kochabo.at, die auch alle Zutaten für das Ratatouille portionsgerecht angeliefert hatten.

www.kochabo.de

Facebook: Kochabo

Bild(er) © Matthias Hombauer, Ph.D.
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