Bilderbuch lassen uns ab nächster Woche an ihrem „Magic Life“ teilhaben. Vorab hat uns Maurice Ernst erzählt, welcher Generationen-Gedanke hinter dem neuen Album steckt, warum „Barry Manilow“ die erste österreichische Cloud-Rap-Nummer ist und warum er Voodoo Jürgens mit Vorsicht genießt.
Man möchte meinen, man besucht Maurice Ernst bei sich zu Hause. Zielsicher weiß er – ohne zu fragen –, wo der reservierte Tisch ist, schmeißt seine Jacke auf die Polster und kümmert sich – ganz Gastgeber – um Getränke. Für Interviews habe er es lieber ein bisschen versteckt, er könne sich sonst nicht fallen lassen, sagt Maurice. Die Melange passt farblich wie ausgemacht zu seinem hellen Freizeitoutfit, während er sich wirklich ein bisschen in die Couch, die in der Lobby des Hotels seines Vertrauens steht, fallen lässt. Und gleich bei der Einstiegsfrage wird er höchst philosophisch. „Magic Life“ ist eben nicht einfach nur das Album nach dem Hype. Gedankenvoll bleibt Maurice auch, wenn es um Wastedness geht. Mit den letzten Zügen seiner Melange schießt er gegen den heutig gestrigen Austropop. Maurice Ernst in 14 Akten.
Welche Art von Urlaub wärt ihr denn als Band? Ein Magic-Life-Urlaub oder doch eher Städtetrip, Spa, …?
Ich glaube, wir wären ein Magic-Life-Club-Urlaub, aber kurz vor der Abreise. Man ist eigentlich schon die ganze Zeit in diesem All-inclusive-Club und genau das ist vielleicht „Schick Schock“ sogar. Und „Magic Life“ ist der Abgesang von genau diesem Gefühl einer Generation, die damit umgehen muss, dass alles Gute, das uns umgibt, nicht selbstverständlich ist. Man muss entweder was dafür tun oder damit umgehen, dass es nicht einem allein gehört, sondern dass es ein Grundrecht ist für viele. Und da muss man erst darauf klarkommen, wenn man da hineingeboren wird. Das ist so der Spirit.
Also so dieses „Uns geht’s eh super, aber es kann auch bald ganz anders sein“?
Vom Spirit her: ein Musikalbum machen in einer Zeit, in der eine Generation wie unsere mit dem Kopf nach vorn fällt. „Schick Schock“ war da so ein bisschen die Idee, dass genau das passiert. Und bei „Magic Life“ ist es schon ein bisschen passiert. Wir haben mit „Schick Schock“ genau dieses Thema beackert und jetzt schauen wir mal nach innen, was tut es mit uns? Wie gehen wir eigentlich mit dieser künstlerischen Verantwortung um? Welche Musik können wir machen, die nicht das Gegenteil dieses Gefühls ist?
Künstlerische Verantwortung erzeugt ja auch Druck. Mit „Schick Schock“ habt ihr die Latte sehr hoch gelegt. Habt ihr den Leistungsdruck, dass das nächste Album genauso gut werden muss, gespürt? „Magic Life“ hört sich ja doch eher so an, als hättet ihr diese Erwartungen ausgeblendet.
Es war uns extrem wichtig, wie und was es ist, was es verkörpern soll. Da geht’s ja nicht immer nur um Erfolg. Wenn du so lange Musik machst, machst du dann natürlich gewisse Nummern wie „Bungalow“ und bist dir bewusst, das könnte rein theoretisch diese Bilderbuch-Nummer sein, um dich am Leben zu erhalten. Die, die dir Luft zum Atmen gibt, damit du daneben deine Sachen machen kannst. Ohne da jetzt ein perverses Kalkül oder System auszunutzen. Es ist schon ein Spiel. Wir wollen ja Pop machen, wir wollen relevant sein. Gleichzeitig wollen wir uns unseren Freigeist behalten und eben nicht hudeln. Das war so die Herausforderung, dass man sich einerseits frei hält und andererseits dort ein bisschen weitergeht, wo man aufgehört hat. Es wär ja komplett fad, wenn man den roten Faden verlieren würde, dann wär’s nicht mehr nachvollziehbar. So ist es spannend, weil die Leute fühlen, dass es immer noch das Gleiche ist, aber auch, dass sich was verändert hat.
Aber ihr wiederholt ja nicht nur ein bisschen, ihr seid ja schon sehr selbstreferenziell. Von „Schick Schock“ auf „Magic Life“ und auch innerhalb von „Magic Life“ kommt manches immer wieder. Wird es nicht auf die Dauer fad, wenn man so viel um sich selbst kreist?
Auf die Dauer sicher. Aber nicht bei zwei Alben, die noch dazu im Nachhinein extrem schön zusammen passen. „Gigolo“ und „Investment 7“ sind das Gegenteil voneinander und gleichzeitig brauchen sie sich. Das ist die private Seite des Gigolos, das ist die Business-Seite des Gigolos. Es hat aber Zeit gebraucht, um hinter dieses Gerüst zu schauen. Bei der „Schick Schock“ hat man die Wolkenkratzer gesehen und hat sich gedacht, wie müsste das da drinnen sein? In Anführungszeichen haben wir jetzt einen Schritt in die Wolkenkratzer rein gemacht und dann kommt diese soziale Tätschn und man fängt auf einmal an zu überlegen, was bedeutet Liebe zum Kapitalismus? Was bedeutet überhaupt diese ganze Geschichte und wie sieht man sich? Und das spürt man ein bisschen bei „Magic Life“. Wir haben lange drüber geredet. Musik hatten wir so viel, das war nicht das Problem. Musik und Gesangslinien machen ist easy. Aber es geht um diesen Spirit. Welcher Spirit ist gerecht für ein Album in dieser Zeit?
Mit dem „Gigolo“ und „Investment 7“ spannt sich ja auch das Wirtschaftsthema weiter. Beschäftigt euch das besonders oder warum ist es so ein wiederkehrendes Element?
Es ist einfach ein wunderbarer Spielball, weil er vom Hip-Hop kommt. Posen mit Kohle, Posen mit Erfolg. Und wenn man den ein bisschen unterwandert … Gerade in einer Zeit wie der ist es extrem interessant, mit den Schattenseiten dieser Idee zu spielen. Es ist nicht mehr so astrein, das heißt, auch ein Hip-Hop-Musiker muss sich die kapitalistischen Fragen stellen, die sich jeder Businessmensch stellt. Zwischen Jay Z und einem Immobilienhai ist nicht so viel Unterscheid. Nur was sie produzieren ist was anderes, aber wie sie damit umgehen, ist eigentlich das Gleiche. Von dem her ist es interessant, die Symbole her und ein bisschen durch die Mangel zu nehmen. Immer noch. Das hat sich bei „Magic Life“ eh schon verändert. Es wird immer wieder Referenzen dorthin geben, aber ich glaube nicht, dass das auch auf die nächste Platte kommt. Man hat jetzt schon gemerkt, es wird sozialer, es geht mehr in sich rein. „Sweetlove“ ist frei, pure Romantik. Die Statussymbole haben sich verändert, es ist ein Bungalow, ein Skoda. Ganz banal gesagt. „Hast du noch Sprit?“ – Fragen die da hingehen, ob du noch kannst, und eigentlich sehr jugendliche, nostalgische Gefühle auslösen. „Komm mit mir, wir fahren da rauf und schauen uns den Sternenhimmel an“-Gefühle. Also weg von dieser Welt. Man muss sie benennen, wenn man vor ihr flüchtet.
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