Mavi Phoenix wurde in kürzester Zeit zur großen Nachwuchshoffnung. Letztes Jahr war ein Album beinahe fertig. Mit dem Coming-out als Mann wurde es komplett umgearbeitet. Jetzt ist sein Debütalbum »Boys Toys« erschienen. Im Interview mit Stefan Niederwieser spricht Mavi Phoenix darüber, warum das Album jetzt Sinn macht, was es mit dem dafür erschaffenen Charakter auf sich hat und warum er sich als Feminist bezeichnet.
»cheeky boy. cool boy. lost boy.« – Mavi Phoenix postete am 22. Juli 2019 drei Fotos auf Instagram, dazu diesen Text. Die Haare waren kürzer. Manche hatten da schon kapiert, was passiert. Mavi Phoenix machte ein schwieriges Jahr durch. Viele Entscheidungen mussten überdacht und neu gefällt werden. Denn wenn man sich neu definiert, erfordert das im Leben jedes Menschen Mut. Wenn man aber in der Öffentlichkeit steht, viele Hoffnungen auf einem ruhen, das erste Album veröffentlicht wird und man dann bemerkt, das Geschlecht, mit dem man identifiziert wird, stimmt so nicht, dann braucht es mehr.
Das Interview mit Mavi Phoenix entstand im Rahmen einer Serie des »Lexikons der österreichischen Popmusik« auf Ö1, das hier nachhörbar ist.
War es hart 500 Follower zu verlieren, als du gesagt hast, du lebst als Mann?
Mavi Phoenix: Es hat mich schon getroffen. Ich habe mir die Haare geschnitten und seitdem ich das gesagt hatte, sind es jeden Tag weniger Follower geworden. Ich bin den Leuten nicht böse, die jetzt mit Mavi Phoenix nichts mehr anfangen können. Einige dachten sicher, das ist die coole Frau, die zieht ihr Ding durch und dann auf einmal so. Aber es ist 2020 und die Leute haben noch überhaupt keine Ahnung von Transgender. Diese Menschen sind trotzdem Außenseiter in der Gesellschaft. Es gibt viele Berührungsängste. Das merke ich selbst bei Freunden, mit denen ich immer dicke war, und die jetzt Angst haben, dass sie fälschlicherweise »sie« sagen. Oder sie sagen, du machst sicher viel durch. Das ist irgendwie falsch. Als Trans-Person muss man da auf die Leute zugehen. Das ist schwer, aber ich möchte das aufbrechen.
Der Weg dahin war und ist lange, oder?
Ich bin noch immer nicht ganz dort. Es fragen viele: »Willst du dich operieren lassen?« Dabei ist in erster Linie wichtig, ob ich mich als Mann oder Frau sehe. Und ich habe mich immer schon als Mann gesehen, als Bursch, immer schon. Wenn ich betrunken und auf einer Party allein war, bin ich ins Badezimmer gegangen, habe in den Spiegel geschaut und gesagt: »Du bist ein Bursch, du bist ein Bursch«, und bin wieder zurück gegangen. Das habe ich gebraucht, das war mein Geheimnis. Ich weiß nicht, ob man sich das vorstellen kann, dass man so ein Geheimnis hat, das einem selbst geheim ist. Man weiß es eigentlich, aber man traut sich nicht dorthin zu gehen, weil man dann mit allem, was kommt, fertigwerden muss. Und es passt, so wie es ist. Dann bin ich halt eine coole Frau, häh, aber das ist so kein Leben.
Gab es in dieser Situation Role Models?
Ich habe mir generell sehr schwergetan. Ich habe mich nie an Frauen orientiert. Meine Inspirationen waren eher Männer, nicht weil ich sexistisch bin, sondern weil ich mich als Mann eher mit Männern vergleiche.
Hat es geholfen, dich online einzulesen?
Auf Youtube erzählen Leute ihre Geschichte. Ich dachte mir: »Fuck, das ist genau mein Gefühl.« Das war wichtig. Ich kenne niemanden persönlich, der trans ist. In der Musikwelt fällt mir nur Kim Petras ein. Deswegen ist es ein arger Weg, es ist nicht einfach – auch wenn wir darüber reden, dass man jetzt darüber redet! Das ist einfach arg.
Wie hat das dein Album verändert?
Es ist ein sehr großes Thema, es ist das Thema. Damit macht das Album Sinn. Es geht ums Ausbrechen, so sein, wie man ist. Ich habe sogar einen Charakter erschaffen, Boys Toys, der den kleinen Jungen in mir porträtieren soll. Der kommt immer wieder rein.
Wie verwendest du den Begriff »bitch«?
Boah, das ist echt eine arge Frage. Ich bin da so im Zwiespalt. Ich bin Feminist und es liegt mir fern, zu reden wie viele Rapper. Das bin ich nicht. Ich bin als Mädel erzogen worden und habe eine starke weibliche Seite. Nicht, dass jede Trans-Person das hat, aber ich habe das. Ich würde nie degradierend über Frauen reden, weil ich das nicht fühle. Aber es gibt eine andere Seite in mir, die gerne ein cooler Macker wäre. Ich würde das selbst nicht rappen, aber ich höre Songs, in denen degradierend über Frauen gesprochen wird, was voll scheiße ist, aber es macht ja keiner was anderes. Alter, wie findet man wirklich guten Rap, der nicht so ist …
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