»Es war ein ordentlicher Ritt« – Michael Ostrowski im Interview zu »Der Onkel«

Wenn Michael Ostrowski draufsteht, ist erfahrungsgemäß was Lustiges drin. Auf »Der Onkel« steht ziemlich viel Michael Ostrowski drauf. Bei der temporeichen schwarzen Komödie zeichnet er nicht nur – im Duo mit Helmut Köpping – für Buch und Regie verantwortlich, sondern er ist auch in einer Doppelrolle zu sehen und gibt ein ungleiches Brüderpaar, von dem der eine, Familienvater Sandro, ins Koma fällt und der andere, Lebemann Mike, versucht, dessen Platz einzunehmen.

© Lotus Film

Du bist in deinem neuen Film »Der Onkel« nicht nur vor der Kamera zu sehen, sondern hast auch – gemeinsam mit Helmut Köpping – das Drehbuch verfasst und Regie geführt. Was war dir bei diesem Projekt besonders wichtig und welche Heraus­forderungen gab es?

Michael Ostrowski: Helmut und ich haben an der Story rund um den Onkel schon seit vielen Jahren gearbeitet, bis wir die für uns richtige Mischung aus Komödie und Drama gefunden hatten. Die Grund­situation wussten wir schon lange, aber das Drumherum zu entwickeln, das dauerte einige Jahre. Es war uns wichtig, auch eine kleine typisch öster­reichische Korruptions­geschichte mitzuerzählen. Sie sollte die Handlung antreiben, aber nicht im Zentrum stehen. Es geht um diese Familie und ihre Nachbarn, über diesen Kosmos an gegenseitigen Begierden. Es ist leicht und schwer gleichzeitig, melancholisch und voller Slapstick. Diese eigenwillige Form haben nicht alle so geschätzt. Die Finanzierung war ein zäher Kampf, ebenso wie die Vorbereitung auf die Dreh­arbeiten nicht gerade easy war: Es war der erste öster­reichisch-deutsche Kinofilm nach dem Lockdown 2020, alles war neu und anders und es war ein ordent­licher Ritt.

Michael Ostrowski © Manuel Schaffernak

Im Autoren-Regie-Statement wird der Film als »erste melo­dramatische schwarze Komödie mit Tier­parabel« bezeichnet. Wie würdest du die Figuren Mike und Sandro beschreiben?

Mike und Sandro sind zwei absolut unter­schiedliche Brüder. Der eine ein erfolgreicher Immobilien­anwalt mit Trophy Wife, zwei Kindern und einer Traumvilla in der Vorstadt. Der andere ein Streuner, Trick­betrüger und Tagedieb, der in seinem Ford Escort lebt. Und doch sind sie einander sehr ähnlich, sie sind wie zwei Seiten einer Medaille, untrennbar miteinander verbunden. Indem ich beide Brüder spiele, kriegt das Ganze noch einen leicht surrealen Touch, finde ich. Als würde der eine zu sich selber finden, irgendwie. Aber zu viel erklären will ich da gar nicht, es soll ruhig mysteriös bleiben. Nicht alles muss sofort eingeordnet und verstanden werden in einem Film.

Der Film vereint Komödie und Tragödie. Wie gelang dieser Balanceakt?

Ja, gute Frage. Ich glaube, es ist die Heran­gehens­weise an eine Geschichte. Helmut und ich verstehen uns da einfach blind, weil wir einen sehr ähnlichen Humor haben. Man kann den tristesten Phasen im Leben nicht absprechen, dass es darin lustige, abstruse Momente gibt. Und das fanden wir spannend. Was passiert, wenn so ein weirder Onkel in einem hoch­dramatischen Moment auf eine Familie trifft, wo der Vater gerade ins Koma gefallen ist? Das hat – humoristische – Sprengkraft. Aber der Film ist auch ein Film über die Liebe und das Leben, das man gerne führen würde, aber sich nicht traut. Der Onkel trifft auf die Familie und wirkt wie ein Katalysator für ihre Wünsche und verdrängten Sehnsüchte.

»Der Onkel« © Lotus Film

Das Buch zu »Der Onkel« hast du sogar von deinen Kindern lesen lassen. Wie sieht dein Schreib­prozess aus?

Helmut und ich haben lange geredet und geplottet, und dann hab ich mich meistens hingesetzt und die Szenen und Dialoge dazu geschrieben. Dann hab ich das dem Helmut geschickt und er hat mir Feedback gegeben. Und irgendwann, als das Drehbuch schon fast fertig war, hab ich’s meinen Kindern zu lesen gegeben, weil ich wissen wollte, wie sie die Geschichte finden. Der Maris hat es sehr wohlwollend abgenickt, was für einen damals 13-Jährigen eine Form von Wahnsinns­kompliment ist. Die Elisea hat gemeint, schon lustig, aber an einer Stelle musste sie fast ein bissl weinen, und sie wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte ausgeht. Da hab ich mir gedacht, Okay, wir sind am richtigen Weg …

Der Film ist hochkarätig besetzt mit Anke Engelke, Hilde Dalik, Simon Schwarz und Gerhard Polt, auch zwei deiner Kinder sind zu sehen. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Wir haben die Rollen für Hilde und Simon geschrieben – ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn sie nicht hätten spielen können. Das ist immer der Albtraum der Regisseure bzw. Autoren. Aber Gott sei Dank hatten sie Zeit und vor allem Lust drauf. Und Anke Engelke war der Schlüssel zu dem Film. Der Onkel braucht einen starken Gegenpart, eine Frau, die lustig ist und tieftraurig und die sich wandelt während des Films, aus der Passivität zur Aktion schreitet. Sie war einfach eine riesige Bereicherung. Ihr hat das Drehbuch so gefallen, dass sie uns ihr Vertrauen geschenkt hat. Es war absolut super, mit ihr zu spielen und zu drehen. Und dass mein Sohn Maris mich gefragt hat, wie so ein Casting eigentlich funktioniert, war mein großes Glück. Sie haben dann nämlich beide eins gemacht und waren sehr über­zeugend dabei. Es war auch lässig mit ihnen zu drehen. Sie haben gesehen, dass es eine Mischung aus unglaublicher Anstrengung und riesigem Spaß ist, so einen Film zu machen. Und Gerhard Polt? Was soll ich sagen? Ich freu mich einfach nur, dass er dabei ist. Er ist ein Hero und ein ganz besonders lieber Mensch.

»Der Onkel« © Lotus Film

Es heißt oft, eine Komödie zu schreiben bzw. spielen sei schwieriger als etwa ein Drama. Stimmst du dem zu? Und wie würdest du deinen Humor beschreiben? Was bringt dich selbst zum Lachen?

Ich glaube, es gibt Leute mit unterschiedlichen Talenten. Ich mag die Komödie, weil oft mehr möglich ist: mehr Irrsinn, mehr Verrücktheit. Man kann einfach mehr ausreizen – auch als Schauspieler – und über gewisse Geschmacks­grenzen gehen. Oscar gewinnt man dann halt keinen fürs Spiel, aber das macht nix. Für die Filmpreise dieser Welt zählen Blood, Sweat and Tears vor der Kamera. Bei der Komödie gibt’s die hinter der Kamera, und davor muss alles leicht aussehen und schwebend. Und das Timing muss passen und die Blicke. Ich mag das sehr. Und ich lache über unter­schied­lichste Dinge. Über gute Dialoge, gut gesetzte Pointen, über Pausen, die man normalerweise nicht machen würde. Über Stolperer, über Miss­verständ­nisse, über Menschen, die sich bemühen, cooler zu sein, als sie es tatsächlich sind, oder sich so aufregen, dass sie absolut die Contenance verlieren. Und über Gerhard Polt, wenn er über die zahlen­mäßigen Beschränkungen während des Lockdowns sagt: »Ich hab mir jetzt eine Drohne angeschafft, da kann ich auch gut sehen, wie viele Nachbarn sich beim Grillen versammelt haben.«

»Der Onkel (The Hawk)« läuft am 6. Mai 2022 in den öster­reichischen Kinos an. The Gap verlost 40 × 2 Tickets für die Wien-Premiere des Films am 3. Mai im Garten­bau­kino – in Anwesen­heit von Michael Ostrowski, Anke Engelke, Hilde Dalik u. v. m.

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