Muttersprachenpop – die wichtigsten Veröffentlichungen im Juli 2018

Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.

© Daniela Matejschek

Ernst Molden –  »Hurra«

© Daniela Matejschek

»Wellen der Angst«, »Loss mas bleibm«, »Unser Österreich«, »Foan«, »Weida foan«, das neue Album von Sir Tralala. Vielen der besten österreichischen Alben der letzten Jahren ist eines gemein: Sie sind – zumindest teilweise – Coveralben. Und vor allem einer, auf dessen Kappe gleich drei der oben genannten gehen, hat die Übertragung von Klassikern aus Pop, Rock und allem, was mit Folk in Verbindung zu setzen ist, perfektioniert: Der Ernst Molden. Auf seinem dritten Cover-Album, auf dem sein Name als einziger groß oben steht – und neben den üblichen Verdächtigen seiner »Yeah«– und »Ho Rugg«-Amigos sind unter anderem auch Ursula Strauss und Hans Theessink dabei –, seinem x-ten insgesamt, verlässt er sich rein auf die musikalische Kraft des amerikanischen Südens – Molden war häufig in New Orleans –, und nützt den oftmals belächelten Swamp-Bluegrass-Alternative-Folk für zehn wunderbare Stücke, die sich allesamt in die Ruhmeshalle der verwienerischten Großtaten einreihen. Viermal Woody Guthrie – und erstmal auch das seit geraumer Zeit zum YouTube-Hit gewordene »Da Czerny« (von »John Henry«) –, zweimal Gillian Welch, ein paar Traditionals und zum Abschluss »A Nocht laung auf da Autobahn«, einem der besten 200 Songs von Sigi Maron. Molden schafft auf »Hurra« eine überaus gelungene Verbindung von Wien und New Orleans, das das Album zu einem absoluten Pflichtkauf macht. Top!

»Hurra« von Ernst Molden erschien bereits am 22. Juni 2018 via Bader Molden Recordings. Live-Termine (mit jeweils anderer Zusammenstellung): 17.7. Theater am Spittelberg, 22.7. Theatersommer Haag, 23.7. Feldbacher Sommerspiele, 29.7. Festspiele Stockerau, 2.8. Raimundspiele Gutenstein, 4.8. Sprudel Sprudel Grundlsee, 2.9. Heuriger Bernreither Jedlersdorf.

ZSK – »Hallo Hoffnung«

© Chris Schwarz

Musikhistorisch vielleicht nicht ganz das spannendste Genre aller Zeiten, dennoch stellt einem Skatepunk immer wieder vor Rätseln: Stirbt mit dem internationalen Skatepunk – rein vom musikalischen Output her, auf den Ansauf-Festivals finden sich ja Millencollin, Pennywise, NOFX und The Offspring jedes Jahr auf dem Line-Up – auch der deutsche? Wobei, viel ist ohnehin nicht übrig geblieben: Und auch ZSK, seit 2011 wieder vereint, scheinen wie ein Geist längst vergangener Tage. Aber, davon abgesehen, sind die Berliner vielleicht 2018 wichtiger als Ende der Neunziger: Denn jede Band, die dezidiert antifaschistisch auftritt, schreibt und singt, zählt. Als Gründer von »Kein Bock auf Nazis« sowieso tief in der Materie, schöpfen ZSK auf »Hallo Hoffnung« aus den äußerst unzufriedenen Gegebenheiten in Deutschland und der Welt. Einziger Wermutstropfen: Die teilweise rosaroten Blicke zurück, das positive Aufladen einer Vergangenheit. ZSK wissen, dass ihre Fans mit ihnen gewachsen sind, mit Sehnsucht nach der Unbeschwertheit jüngerer Tage. ZSK nutzen das und kapitalisieren diese Mechanik: »Jetzt Sonderbox um 40€ kaufen und noch einmal jung sein!« Meh.

»Hallo Hoffnung« von ZSK erscheint am 20. Juli 2018 via People Like You Records (Sony). Österreich-Termine: 12.4.2019 Arena Wien, 13.4.2019 PPC Graz.

Gewalt – »Manipulation (12“ EP)

@ Gewalt

Die Gruppe Gewalt, eh schon wissen, die, rund um Superstar Patrick Wagner, bricht den Rahmen ihrer 7“ Veröffentlichungen und fordert die Indie-Prominenz dazu auf, Neumodellierungen von »Hits« der letzten Singles vorzunehmen. Die Namen sind tatsächlich beträchtlich: Drangsal und Mathias Schaffhäuser nehmen sich jeweils »Wir sind sicher«, Moon Duo »So geht die Geschichte« und Ensslin Research – hinter der Gruppe, die auch schon auf einem Remix-Album für die in Vergessenheit geratene Indie-Pop-Gruppe Subterfuge 2003 vertreten war, steckt Produzent Olaf Opal – »Guter Junge/ Böser Junge«. So unterschiedlich die Gruppen, die sich den einzelnen Songs annehmen, auch sein mögen – ihr Ansatz ist ihnen gemein: Es kann gar nicht noisy genug sein. Die Stücke werden überfrachtet, mit Spuren zugepflastert und Schicht für Schicht dekonstruiert. Besonders intensiv tritt die Bedrohung bei »Guter Junge/ Böser Junge« hervor, die drängenden Lyrics Wagners ritzen sich zu ebensolchen Gitarren und Synths in die offenen Wunden. Das ist Avantgarde, das ist hochklassig, das ist schön.

Die 4-Track 12“ »Manipulation« von Gewalt erscheint am 6. Juli 2018 via Unter Schafen Records. Keine Österreich-Termine.

AUSSERDEM ERWÄHNENSWERT:

Friedrich Sunlight – »Kommen und gehen EP« (VÖ: 20. Juli 2018)

Die einzige deutsche Sunshine-Pop-Band, die mangels Alternativen fast zwangsläufig mit Burt Bacharach oder – naja – den Beach Boys verglichen wird, gibt wieder ein kleines Lebenszeichen von sich. Es gilt zu jubilieren! Denn auch, wenn das selbstbetitelte Debütalbum nicht die allergrößten Wellen geschlagen hat, gut war es auf jeden Fall. Auch die neue Zwei-Song-EP, die wieder bei Tapete erscheint, bringt sommerlich-anständige Unterhaltung auf die Dachterrassenpartys der Oberauskenner.

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