Öffentlich leben, 168 Stunden, Nonstop

Jederzeit besuchbar werden Performancekünstlerin Claudia Bosse und Architektin Bettina Vismann sieben Tage lang rund um die Uhr in der Baulücke Mollardgasse 14 wohnen. Eine Performance über Körper, Raum und Alltag.

© Eva Würdinger

Zwischen zwei Wohnhäusern tut sich eine Lücke auf. »Mollardgasse 14« ist keine normale Wiener Adresse. Straße und Hausnummer führen nicht mehr zu einem Gebäude, sondern einer freien Fläche. Wo sich die Natur mittlerweile wieder ihren Weg gebahnt hat – neben Abrissspuren ist die Brache in der Mollardgasse 14 wieder durch eine Wiese begrünt – wird ab 16. Juni in einer Performance und Live-Installation die Illusion eines Wohnhauses entstehen.

Claudia Bosse ist Regisseurin und Performance-Künstlerin, die für ihre Arbeit bereits mit dem Nestroypreis ausgezeichnet worden ist. Seit 1997 leitet sie das in Berlin gegründete Künstler_innenensemble »theatercombinat«. In ihren Arbeiten reflektiert sie unter anderem über Körper und Körpererfahrungen, zwischen Pornografie, politischer Theorie und persönlichen Erinnerungen. Die Performance »Designed Desires«, die 2012 in Wien aufgeführt wurde, verortete beispielsweise biografische Ereignisse, die Bosse im Vorhinein schriftlich festhielt, im zur Verfügung stehenden Raum der abrissreifen Zollamtskantine Wien, nahe der Südosttangente. Die mehrjährige Arbeit an »Ideal Paradise« führte bereits vor zwei Jahren zur Bespielung des öffentlichen Raumes der Mollardgasse 14, der als Treffpunkt für eine »nomadische Stadtkomposition«, eine Art Stadtrundgang mit vielen Performances als Untersuchung möglicher Formen des Zusammenlebens, fungierte.

In ihrer neuesten Arbeit wird Bosse zusammen mit der freischaffenden Architektin Bettina Vismann die Brache der Mollardgasse 14 öffentlich bewohnen. Sieben Tage lange, 168 Stunden, wird das Areal in zwei gleichgroße Flächen geteilt, in denen sich die Performerinnen permanent aufhalten und über städtischen Alltag reflektieren. Dabei wird ein Spannungsfeld geöffnet zwischen dem Gegensatz eine Einraumwohnung als Setting spürbar zu machen, gleichwohl der Raum zu allen Seiten geöffnet ist.

Der Alltag synchronisiert sich für die beiden Performerinnen, sobald sie täglich ab 17 Uhr über ein Objekt, ein Stück Stoff, miteinander interagieren. ©Eva Würdinger

Im Zentrum von »168 Stunden«, einer Kooperation mit dem Tanzquartier Wien, steht die Beschäftigung mit Ritualen und Rhythmen des Alltags. So folgen die Tage, die beide Performerinnen in der Baulücke verbringen, einem durchgetakteten Ablauf. In festgelegten Zeiträumen synchronisieren sich die Handlungen von Vismann und Bosse. Zweimal am Tag schreiben sie drei Stunden lang Journal und verarbeiten dabei Alltag und Umwelt. Nach Sonnenuntergang um 21 Uhr, wird das Geschriebene an die Wände der angrenzenden Häuser projiziert.

Weiterer Pfeiler der Performance sind sogenannte »Poetische Begegnungen«, die »Aktivierung eines Objekts«. Neben dem Tribut an das tägliche Leben, wird die Performance damit auch zum Tribut an den deutschen Bildhauer, Konzept-, Installations- und Prozesskünstler Franz Erhard Walther. Nach seinem Vorbild sollen die beiden Performerinnen täglich um 17 Uhr ihren kleinen Wohnbereich verlassen und gemeinsam über ein Objekt aus biegbarem Material, einem farbigen Stück Stoff, eine halbe bis volle Stunde interagieren. »Etwas gemeinsam [tun]; sie falten, entfalten weiches material biegbar nicht hart, farbig nicht weiß und verschwinden in ihm, oder treten auf es, oder dehnen es, spannen es, verändern es und sich. Eine dritte oder vierte Ordnung, zu den anderen Ordnungen, die Ordnung der Straße mit Mauern und Fenstern«, so heißt es in dem Dossier, dass vorab auf der Webseite des theatercombinat erschienen ist.

»168 Stunden« findet als Koproduktion mit dem Tanzquartier Wien non-stop vom 16. – 23. Juni in der Baulücke der Mollardgasse 14 statt und kann jederzeit besucht werden. Nähere Informationen zum Projekt und zum zeitlichen Ablauf gibt es hier.

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