Antizyklisch wider die Krise! – Laurent Koepp vom neuen Club Ponyhof im Interview

DJ-Workshops, Szene-Wohnzimmer und Null-Toleranz: Mit dem Ponyhof hat ein neuer Hybrid aus Club und Bar in Wien eröffnet. Laurent Koepp beantwortet die brennendsten Fragen zum Startschuss.

© Wolf Auer

Wien hat einen neuen Club zu verzeichnen – beziehungsweise eine Bar. Oder irgendwas dazwischen. »Ein Club ist ein Pferd und wir sind ein Pony«, so schallt es jedenfalls seit der Eröffnung des Ponyhofs aus der Sechshauserstraße 4 in Rudolfsheim-Fünfhaus. Der 15. Wiener Gemeindebezirk bekommt so in direkter Nähe des Echoraums, dem Kunstbogen und der Suchthilfe Wien einen neuen Kulturraum – trotz multipler Krise. Laurent Koepp, einer der Tanz-durch-den-Tag-Organisator*innen, Berater beim Pilotprojekt zur Vienna Club Commission und nun Mitgründer des Ponyhofs, steht deshalb ausführlich Rede und Antwort und gibt einen Einblick in die Zukunft des neuesten Gürtellokals.

Wie hat sich das Team gefunden, das in Zeiten undurchsichtiger und wechselnder G-Regelungen einen Club eröffnen will? Wer schupft den Ponyhof zukünftig im Normalbetrieb? 

Laurent Koepp: Das Team kennt sich schon seit Jahren. Martin Ruzicka habe ich 2013 beim Hertzberg Festival in Kärnten kennengelernt, wo er Visuals und ich die Bar gemacht haben. Auch nachher haben wir viel zusammen in der Eventgastro gearbeitet. Raphael Frei und Sarah Grabher kennen sich schon aus Vorarlberg. Raph und Martin wiederum haben zusammen die Gastro bei der Zwischennutzung vom Schloss Cobenzl betrieben, während Sarah und ich die Abendleitung übernommen haben. Raph und Martin haben die letzten Jahre die Open-Air-Gastro im Sofienspital betrieben und Raph betreibt seit 2018 auch das Café Monic.

Als Raph das ehmalige »Imperio« im vergangenen April entdeckte, war direkt klar, dass auch Martin am Start sein wird. Mich hat er im Rahmen der Club Commission um eine Beratung gebeten, drei Tage später haben wir darüber gesprochen, ob wir es nicht alle gemeinsam machen sollen. Als es dann zum Businessplan kam, wo wir Sarah um Hilfe gebeten haben, wurde auf einmal klar, dass sie nicht im Team fehlen darf.

Aron verlor seinen Job auf Grund der Absage vom Light House Festival in Kroatien und da wir alle vier nicht unbedingt die begnadetsten Handwerker sind, haben wir ihm gleich die Bauleitung angeboten. Gemeinsam mit Cepp, der sich um die ganzen Tischlerarbeiten gekümmert hat, ist es ihnen zu verdanken, dass wir überhaupt einen Club vor 2025 haben. Sabrina kümmert sich um Grafiken, Logo und den Social Media Auftritt. Dann gibt es noch Philipp, Jens, Kilian, Alex, Vera, Ela, Josh und viele mehr.

Im Normalbetrieb schupfen das jetzt aber Martin, Sarah, Raph und ich. Gemeinsam mit Niko an der Garderobe, sowie Sanny, Dhana, Laura, Yugi, Valeria und Daniel hinter der Bar. An der Tür haben wir Leute von Event Safety stehen.

Was ist in den letzten Monaten passiert, um die Location auf die Eröffnung vorzubereiten? Wie liefen die Umbauarbeiten? 

Wir haben den Laden einmal komplett plattgemacht und dann wieder neu aufgebaut. Seien das die Rigips-Wände, der Boden aus Gussasphalt, die gesamten Sitzmöbel, die Bar und so weiter. Bei den Umbauarbeiten sind natürlich weitere Aufgaben hinzugekommen, die uns davor nicht bekannt waren oder erst durch den Umbau ersichtlich wurden: Entkoppeln der Lüftungsanlage, Wasserschaden hinter einer Rigipswand, am Klo und weitere Kleinigkeiten. Schlussendlich gründeten wir eine GmbH, haben Deals ausgehandelt, einen Businessplan geschrieben, Kredite beantragt, eine Förderung bei der Wirtschaftsagentur Wien erfolgreich eingereicht.

Das Team Ponyhof – © Katharina Gossow

Der Ponyhof soll ein Experimentierraum für die lokale Szene sein. Wie stellt ihr euch das genau vor? Geht es dabei nur um musikalische Ausflüge oder passiert auch was fürs Auge?

Wir sehen den Ponyhof als Wohnzimmer für die Szene, aber auch für Menschen, die Clubambiente suchen, aber nicht mehr jedes Wochenende eskalierend auf dem lauten Dancefloor stehen wollen. Der Ponyhof befindet sich in einem Wohnhaus und es ist nun an uns dafür zu sorgen, dass wir das im Einklang mit den Anrainer*innen hinbekommen. In Wien gibt es viele gute Clubs mit sehr guten Soundsystemen. Wir wollen das Wohnzimmer für die Leute werden, die jedes Wochenende für Programm in diesen Clubs sorgen. Ein Ort um Musik zu genießen und sich trotzdem auf normaler Lautstärke auszutauschen. Ein Safe Space für alle, die einen solchen suchen oder auch schon gefunden haben. Außerdem ein Club für jene, die selbst veranstalten und einfach mal die Füße hochlegen wollen. 

Das ist kein leichtes Unterfangen und wir entdecken jetzt im laufenden Betrieb die nächsten Herausforderungen. Aber wir lernen dazu und werden die nächste Zeit weiter optimieren. Wer harten Techno auf einer richtig guten Anlage hören will und dabei tanzen will, als würde es kein morgen geben, fährt in die Spittelau oder in die Praterstraße. Wir sind gemütlicher, geselliger und wollen dennoch nicht auf die Vorzüge einer guten Klangqualität verzichten. Daher laden wir DJs, viele davon Freunde, dazu ein, sich bei uns musikalisch auszuleben, indem sie ungenierter Platten spielen können, ohne dem Druck von hunderten feierwütigen Gästen ausgesetzt zu sein. Unabhängig der Genres wollen wir eine Plattform bieten, wo sich Menschen mit der gleichen Leidenschaft für Musik, Licht und Ästhetik austauschen können. Dementsprechend soll der Ponyhof tatsächlich auch als Experimentierraum für die lokale Szene dienen.

Was darf man also genauer im Programm erwarten? Die Sets des Wochenendes schon vorab in intimerer Atmosphäre? Plant ihr Installationen zu zeigen oder gar völlig neue (Club)Formate entstehen zu lassen? 

Wir wollen das Programm divers halten. Harter Techno, so sehr wir ihn lieben, wird bei uns leider schwer. Sehr tiefe Bassfrequenzen sind auf Grund der Anrainer*innen kaum möglich und ohne eine gewisse Lautstärke entfalten die auch nicht ganz ihre Wirkung. 

Bisher haben wir Merkwürdig, Club Pompadour, Non Funxion, Blvze, Hausgemacht, Musical Collective, Off the Grid, Sisters, Vlan.live oder auch Belly Dance Services am Programm. Wir wollen, dass sich die Szene selbst das Programm zusammenstellt, welches in den Ponyhof passt. Sie können am Abend selbst entscheiden, wer von den Kollektiven spielt. Oder sie kündigen es davor an und erstellen selbst einen Flyer. Wir sind für beides offen. Raphi und Marcell, Freunde von uns, wollen zum Beispiel im Sitzen Platten zocken, von Soul bis Hip Hop, und nennen sich dabei »Fresh & Lazy«. Das sind Konzepte, die wir uns in einem Wohnzimmer unter der Woche wünschen.

Manche Veranstalter*innen denken außerdem bereits über Ausstellungen, begleitende Radiosendungen oder auch sozio-kulturelle Diskurse nach. Ein Kollektiv trifft sich zum Beispiel vor dem eigentlichen Programm und der offiziellen Öffnungszeit zum monatlichen Stammtisch.

Ist euer Programm bereits voll oder können sich noch Kollektive und andere Interessierte bei euch für Abendgestaltungen melden? 

Unser Programm ist bereits gut gefüllt. Für November gibt es nur noch einige wenige Termine. Dezember gehen wir erst in den nächsten zwei Wochen an. Bis dahin haben wir auch ein bissl Erfahrung sammeln können und es wird ersichtlicher, was der Raum und die Soundanlage hergeben und was nicht.

Der Ponyhof fährt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Diskriminierung und verzichtet auf Fotos.

Kann und darf bei euch im lokal getanzt werden? 

Klar darf bei uns getanzt werden. Wir haben eine kleine Tanzfläche, die am Opening Wochenende auch gesteckt voll war. Ja, die Leute hätten es gerne ein Stück lauter gehabt, allerdings müssen wir hier auch auf unser Umfeld achten, bis wir alle Schwachstellen entdeckt und ausgebessert haben, damit das Vergnügen der einen nicht zur Belastung für andere wird. 

An der Tür wird es jeden Tag einen einstelligen Eintrittspreis geben. Wie funktioniert dieses Konzept genau?

Wir teilen uns das Risiko mit den Veranstalter*innen und Kollektiven. Das bedeutet, wir verlangen keine Raummiete oder Mindestumsatz. Die Kollektiv sind aber selbst für ihr Booking und Marketing verantwortlich. Ein kleiner Anteil des Eintrittspreises geht an uns, damit wir unsere Türsteher*innen bezahlen können. Der Rest geht an die Kollektive. Wir haben nicht das gleiche technische Angebot wie größere Clubs, aber auch nicht die gleichen Kosten. Daher wäre es gegenüber den Kollektiven bzw. Veranstalter*innen unfair, wenn sie das Risiko alleine tragen müssten. Allerdings finden wir es wichtig, dass künstlerische Leistung honoriert wird und wollen daher auch nicht auf Eintritt verzichten. Da wir keine herkömmliche Party-Location sind, sondern eine gediegene Clubatmosphäre mit Barcharakter anbieten, können die Leute früher hinkommen, sich aber im Laufe des Abends aber auch noch dazu entscheiden, irgendwo hinzugehen, wo es lauter und ekstatischer zugeht.  

Das Ponyhof-Menü fürs kommende Wochenende

Der Ponyhof befindet sich am Anfang der Sechshauserstraße in Rudolfsheim-Fünfhaus. Inwiefern trägt dieses Grätzl euer Konzept oder profitiert es gar vom Ponyhof?

Der Ponyhof ist durch die direkte Nähe zur U6-Station Gumpendorfer Straße öffentlich sehr gut angebunden. Es ist aber eine bisher eher unerschlossene Gegend, wenn es um Clubkultur geht. Auch sonst gibt es wenig Nachtleben in der Gegend, welches für junge Menschen mit musikalischen Interessen interessant wäre. 

Das Grätzl ist eher für sein Rotlichtmilieu und die Suchthilfe Wien bekannt als für sein kulturelles Angebot. Es wird auf Sichtweite ein weiterer kultureller Ort eröffnen und auch das Brick 5 aus der Reindorfgasse hat sich schon bei uns gemeldet. Gemeinsam wollen wir das Grätzl kulturell aufwerten, ohne den bereits bestehenden Lebensraum damit negativ zu beeinträchtigen. Es sind auch kostenlose DJ-Workshops für die Jugend aus dem Grätzl geplant. 

Der Vorbesitzer der Location musste 2019 wegen Anrainerbeschwerden gehen. Was macht ihr, um dem bereits mit Eröffnung der Location deeskalierend gegenüberzutreten? Immerhin ist die Stimmung zwischen Anrainer*innen und Nachtlokalen in Wien nicht immer die beste. 

Wir gehen aktiv auf die Anrainer*innen zu und tauschen uns aus. Wir haben bereits mit Lärmbeschwerden zu tun, die aber aktuell noch direkt an uns weitergetragen werden. Wir versuchen dann gemeinsam mit den Anrainer*innen die Schwachstellen ausfindig zu machen und diese schnellstmöglich zu beheben. Für diese Fälle haben wir auch Rücklagen hinterlegt. Ein Großteil der Investitionen gingen bereits in Schallschutzmaßnahmen, aber wir sind uns bewusst, dass erst durch den laufenden Betrieb bisher unbekannte Herausforderungen sichtbar werden. Einige sind uns bereits nach dem Opening Wochenende ersichtlich geworden. Allerdings gibt es auch schon Lösungsansätze, die wir in den kommenden zwei Wochen angehen. Dies wird ein fortlaufender Prozess sein, bis alle Beteiligten zufrieden sind.

Außerdem hat sich Wolfgang Sauter mit seinem Team von Pro Performance ein System überlegt, welches unser Wohnzimmer selbst mit auf Anrainer*innen-freundlicher Lautstärke gut klingen lässt.

Der Ponyhof in der Sechshauserstraße 4, 1150 Wien, hat in der Anfangsphase am Donnerstag von 20 bis 04 Uhr und Freitag sowie Samstag von 20 bis 06 Uhr geöffnet. In Zukunft soll am Dienstag und Mittwoch ebenfalls geöffnet werden. Alle Updates gibt es über die noch leere Website beziehungsweise Social Media.

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