Literatur für Schweine
In seinem neuen Erzählband lässt der Bulgare Alek Popov erneut die Satire-Sau aus dem Sack. Absurdität mit Methode.
Milan Teofanov ist ein bulgarischer Schriftsteller, dessen großer Erfolg noch aussteht. Eines Tages bekommt er einen Anruf von einem gewissen Bodilkov, der sich als „agrikultureller Großproduzent aus Nordbulgarien“ vorstellt. Und der ihm eröffnet, er wolle das Gesamtwerk des Dichters herausgeben und ihm noch dazu 10.000 Euro zahlen. Teofanov ist etwas verwundert, aber geschmeichelt. Er fährt nach Russe, auf die Farm des Schweinezüchters. Dort muss er feststellen, dass nicht die Menschen es sind, die von seiner Poesie begeistert sind – seine Gedichte regen Drüsen im Magen der Tiere an und die Schweine legen umgehend an Gewicht zu …
Literatur, die zur Gewinnmaximierung in der Schweinefarm verdammt ist: Das ist eine Szene, wie sie sich Alek Popov ausgedacht haben muss. Der 1966 in Sofia geborene Autor ist ein Meister der Satire. Wie gut er die beherrscht, bewies er schon in seinem Romanerstling „Mission London“. In diesem vor drei Jahren erschienenen Buch nahm er die „erfolgreichen“ Osteuropäer, die dem Balkan entkommen sind und es in den Westen geschafft haben, aufs Korn und porträtierte die balkanisch-absurden Geschehnisse an einer bulgarischen Botschaft in London.
Auch in seiner neuen Geschichtensammlung “Für Fortgeschrittene” schickt er seine Protagonisten auf irrwitzig-abenteuerliche Reisen: Da ist ein im Balkangebirge lebender Philosoph, der eine Einladung zu einer Konferenz in der fernen Hauptstadt Sofia erhält, zu dem sich der französische Startheoretiker Jacques Derrida angekündigt hat; voller Enthusiasmus macht er sich auf den Weg und wird in der Wildnis beinahe von einem Wolf gefressen. Oder da ist ein Mann, der in einer Zeitungsannonce von einem Henker liest, der Enthauptungen für 50 Dollar vornimmt; der (eigentlich überhaupt nicht lebensmüde) Bulgare möchte testen, ob das denn stimmt – und muss schließlich mit Geld um sein Leben kämpfen.
Vermutlich ist es kein Zufall, dass der Bulgare Popov genau diesen irrwitzigen Humor entwickelt hat: Nach der Wende ist der Alltag in seinem Land mitunter für die Bewohner zu einem Spießrutenlauf avanciert, nur wer zu improvisieren versteht, der überlebt. Das Leben ist so rasant geworden, dass man kaum noch mitkommt. Wer hat da überhaupt noch Zeit, Literatur zu konsumieren? Ja wer, wenn nicht Schweine?