Grande Hotel

Art-Déco im Armenviertel: Eine Doku über einen ausgehöhlten Hotelkorpus in Mosambik zeichnet die Spuren portugiesischer Kolonialmegalomanie und deren absurder Blüten nach.

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Nur sieben Jahre waren dem Grande Hotel Beira nach seiner Fertigstellung 1955 beschieden, dann wurde der prunkvolle Art-Déco-Bau mit seinen 12.000 Quadratmetern und über 100 Zimmern und Suiten wieder geschlossen. Die laufenden Kosten zur Erhaltung des Betriebs waren zu hoch.

Der Prunkbau mit dem großen Swimmingpool ist dazu verdammt, zu späterem Zeitpunkt als Skelett Zeugnis der absurden Megalomanie portugiesischer Kolonialherrschaft zu werden. Als solche inszeniert die belgische Filmemacherin Lotte Stoops in ihrem Dokumentarfilm das Hotel, das heute ein Armenviertel ist. Das mehrstöckige, spröde Betonghetto beherbergt mehr als 2.500 Dauergäste, ohne Fließwasser und vielfach ohne Strom.

Jeder Prunk und Protz, der das Hotel einst geziert hat, ist längst verkauft, das Gebäude bis auf seinen Korpus ausgehöhlt. Vielköpfige Familien teilen sich engste Räume. Durch die Fenster des Betonskeletts kann man den Müllbergen beim Wachsen zusehen.

Stoops lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, und mischt Archivmaterial der Blütezeit des Hotels mit Footage aus der Ghettoruine. Sie durchdringt den Soziotop Hotel mit einem scharfen und nüchternen Blick. Die ethnografische Reise verklärt nie, legt neben der Not der Menschen aber auch versöhnliche Momente frei: Die Hotelbewohner wissen sich selbst die unwirtlichsten Ecken und Kämmerchen zunutze zu machen, der Einfallsreichtum ist beachtlich.

Seine besten und beklemmendsten Augenblicke hat die bisweilen etwas träge Doku, wenn Hotelbewohner Moises und sein Begleiter das Kamerateam durch das Haus führen, und als Roomraiders die Wohnsituation der anderen Hotelbewohner vorführen.

Im Dezember 2012 wurde Stoops‘ Film bei "This Human World" mit dem Jurypreis ausgezeichnet. Der Film feiert am Donnerstag, den 4. April, im Wiener Top-Kino in Anwesenheit der Regisseurin seine Österreich-Premiere.

Weiterführende Links:

Tobias Müller war im Sommer 2012 für Der Standard im Grande Hotel Beira zu Gast.

Der niederländische Student Robert R. Cruiming beschäftigt sich in seiner Masterthesis an der TU Delft mit dem Grande Hotel.

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