Nur Mut, kleiner Liebling

Die Ansichten eines Venedig-Reisenden
Christian Futscher dichtet wieder in Venedig. Der Gedanken-Berserker hebelt einmal mehr mit Sprach- und Wortspielen die Wirklichkeit aus.

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Venedig ist eine Reise wert – mehr wahrscheinlich, geht es nach Christian Futscher. Die Lagunenstadt wurde für den Vorarlberger Autor Christian Futscher ein Fixpunkt, der in seiner tagebuchartigen Litanei »Nur Mut, kleiner Liebling« Quartier in einer Autorenwohnung in St. Polo bezieht. „Nur Mut, kleiner Liebling“ ist mehr oder minder die Fortsetzung von »Pfeil im Auge«, beide Bücher entstanden in derselben Venedig-Wohnung. Futscher lässt sich also für einige Zeit nieder. Von einem Rom-Aufenthalt jetzt nicht gerade gestärkt, in Rom sprang der kreative Motor einfach nicht an, machte er in Venedig aus der Not eine Tugend und lebte sich literarisch in den Tag hinein – »… ich habe das Gefühl, ich muss alles zusammenhalten, es darf nichts zerbröseln, zerflattern, verblasen werden, ich darf die Zügel nicht loslassen …«. So passiert es also, dass plötzlich der Tag zur literarischen Angelegenheit wird: In kurzen Abschnitten gibt er keinen erdachten Inhalt vor, sondern macht wahrscheinlich das Wichtigste, er teilt sich selbst mit. Futscher ist also sich selbst ausgeliefert, und das ist gut so. Einen gewissen literarischen Nährwert hat auch die Vergangenheit, in die er gerne eintaucht, wohnt der Autor doch wieder in derselben Autorenwohnung wie vor Jahren.

Futscher notiert, was ihm unterkommt: Ein SMS, eine Flasche Bier, ein Gedanke an Leo, an Anne Marie, an seinen Vater, ein Witz über den Kunstbetrieb. Und dann wieder Unberechenbares: Futscher schreibt das Wort »schreiben« hundert Mal auf, um bei »schpeiben« anzugelangen. Was geht hier unbewusst im Dichterkopf vor? Strafübung, Schönschreibübung, Volksschuldrama? Wie dem auch sei, als Inspirationsquelle diente hier übrigens Friederike Mayröcker. Ähnlich auch das Gedicht »Prosa«, das nur aus Punkten und An- und Ausführungszeichen besteht. Hierfür stand übrigens Sabine Gruber Pate. Das geht sehr in die Sprach- und Wortspiele der Wiener Gruppe hinein. Das wird jetzt nicht jedermanns Sache sein, aber bei Futscher flutscht das so richtig schön, wenn er den Stift zu den Gedanken laufen lässt und ungeschönt zu Papier bringt, woran er gerade denkt. Ein Kaleidoskop der Gedanken, ein verrückter Wortteppich eben, und dann wieder ein Anlaufen gegen die Zeit, ein Unterfangen, dem man sich nicht unbegrenzt annähern kann, weiß der Autor zu berichten. »Non si può mettere il tempo in una bottiglia«, schreibt Flutscher – die Zeit lässt sich eben nicht in eine Flasche stecken. Einen dritten Venedig- Band soll es noch geben. Futscher wird also wieder in Venedig sein. Trifft man dort auf den Dichter, einen Grappa oder ein Birra Moretti könnte man ihm doch glatt spendieren.

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