Scheitern, scheitern, scheitern – »Wasted« von Kate Tempest am Werk X-Petersplatz

Das Werk X-Petersplatz hat als Spielzeiteröffnung das Bühnenstück »Wasted« von Kate Tempest aufgeführt. Wie viel (oder wie wenig) das Stück mit der Spoken-Word-Künstlerin zu tun hat.

© Alexander Gotter

Was nicht zur Vorbereitung auf »Wasted« am Werk-X Petersplatz getaugt hat? Dem Stück von Kate Tempest, das die damals Mittzwanzigerin 2013 schrieb, bevor sie ein Jahr später mit ihrem Album »Everybody Down« eine Nominierung für den vielleicht wichtigsten britischen Musikpreis, dem Mercury Prize, nominiert wurde? Was also keine gute Vorbereitung war: Kate Tempest hören.

Mit der Musik, dem Spoken Word / Hip Hop, den die Londonerin macht, hatte der Theaterabend, der die neue Spielzeit am Werk X-Petersplatz eröffnet hat, nur wenig gemein. So scheint das Bühnenstück ein Satz heimzusuchen, den man in Kritiken in jedweder Inszenierung ihres künstlerischen Schaffens immer wieder liest: Dass Kate Tempest Texte dann am besten funktionieren, wenn Kate Tempest sie selbst spricht. Zu unverwechselbar, wie sie in derbem Süd-Londoner Akzent, zwischen Poesie, Gesellschaftskritik und Alltagsgedanken, Worte ausspuckt. Ein Lebensgefühl, wie es die Künstlerin in ihren stets stark auf Narrative ausgelegten Longplayern rüberbringt, soll über den Text von »Wasted« natürlich trotzdem erzeugt werden. Teilweise mit Erfolg.

Verloren im Wiener Nachtleben. ©Alexander Gotter

Mal wieder Spaß haben

»Wasted« erzählt die Geschichte von drei FreundInnen um die dreißig, die nicht nur darüber verbunden sind, dass sie sich seit ihrer Jugend kennen, sondern auch darüber, dass es einen vierten im Freundschaftsbunde gegeben hat, der Suizid begangen hat. Ihre Interaktion an dessen zehnten Todestag ist Gegenstand der Handlung und wie nicht anders zu erwarten eine ewige Reminiszenz an frühere Zeiten (wobei die Vermutung, dass sich die Gespräche dieses Tages nicht wesentlich von denen anderer unterscheiden, womöglich nicht ganz unbegründet sind). So planen die drei einen gemeinsamen Abend, an dem ausgegangen wird, man nochmal zusammen Spaß hat – getrieben vom Durst, etwas zu fühlen, herauszutreten aus dem festgefahrenen Leben.

Der eine Grund – die fehlende leibliche Präsenz von Kate Tempest – beantwortet bereits, warum Kate Tempest hören nicht zur Vorbereitung getaugt hat. Ein zweiter ist die Sprache, in der gespielt wird: Deutsch. Für die Übersetzung des Texts zeichnete sich niemand anderes als »Wir sind Helden« Ex-Frontfrau und Solopopkünstlerin Judith Holofernes verantwortlich. Scheinbar hatte das auch Einfluss auf die kurzen musikalischen Einlagen, die die drei PerformerInnen zum Besten geben. Bis auf eine etwas skurrile Cloudrap-Einlage wirken auch diese irgendwie popmäßig aufbereiten, gar Judith Holofernes-igisiert.

Der Autor dieses Textes ist zwar der Meinung, dass das Kate Tempest zu Vorbeitung auf »Wasted« nicht geholfen hat, aber musikalisch findet er, dass die Musik zu gut ist, um sie nicht zu posten.

»Wasting away« in Wien

Mit der Übersetzung des Texts geht eine Verlagerung des Geschehens von London nach Wien einher, die erstmal nicht deutlich auf der Hand liegt. Das Bühnenbild zeigt von Graffiti überzogene Wände und könnte damit natürlich überall verortet sein. Lediglich ein einzelner »Puber«-Schriftzug gibt einen ersten Hinweis. Im Text hingegen wurde allerlei österreichifiziert. Zum Beispiel, wenn erzählt wird, dass der Freund eines Freundes Lokführer eines Railjets ist, oder wenn Wiener Außenbezirke referenziert werden. Das bringt natürlich ein großes Humorpotenzial: Als Publikum kommt das Gefühl durch, man sei in die Späße gut eingeweiht. Auch der größte Lacher des Abends ist wien-spezifisch : Wenn eine der Freundinnen, eine ausgebrannte Lehrerin davon erzählt, sie möchte einfach eine lange Reise machen und ihr von ihrem Partner der Ratschlag gegeben wird, einfach den 13A zu fahren.

Tiefgang hat der Abend nur bedingt. Problemchen einer weißen Mittelschicht, die auf leidig auf einer Theaterbühne dargeboten werden, sind ja immer auch schnell sehr blabla. Die Figuren sind in ihrem Gebaren zwar der Inbegriff einer Quarterlife-Crisis, aber glücklicherweise gut genug gezeichnet, dass man als ZuschauerIn doch emotional mitgeht. Charlotte, die Lehrerin, die ihre Kinder insgeheim hasst, Ted, der keine Lust auf Partys hat, wo Menschen Adjektive statt Vornamen haben und Danny, der mit seiner schlechten Band auf den Durchbruch hofft (der nicht kommt und natürlich auch nie kommen wird) – da kann man schnell sympathisieren. Das sind zwar nicht die ganz großen Themen, aber Scheitern ist zum Glück universell.

»Wasted« hat die Spielzeit des Werk X-Petersplatz eröffnet. Das weitere Programm lässt sich hier nachlesen. Die nächste Premiere, How to protect your internal ecosystem von Miriam Schmidtke und Mimu Merz, findet nächste Woche Mittwoch, 23. Oktober 2019, statt.

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