Peter Tschmuck, Kurator der Wiener Tage der Musikwirtschaftsforschung, im Interview über Urheberrecht, Kulturflatrate und die Zukunft des Musik Business…
Am Donnerstag und Freitag finden in der Universität für Musik und darstellende Kunst die Wiener Tage der Musikwirtschaftsforschung statt, kuratiert von Peter Tschmuck. Internationale Gastredner – einige wirkliche Spezialisten zu Themen wie Urheberrecht und Creative Commons werden da ihre neusten Forschungen und Projekte vorstellen. Professor Adolf Dietz z.B. vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht gilt den meisten Juristen im Musik Business als „Urheberrechtsgott“. Frau Liane Wildpanner – in der EU-Kommissarin für Geistiges Eigentum zuständig – ist ebenfalls zu Gast sowie Jim Griffin, Berater bei der WIPO – der World Intellectual Property Organization.
Peter Tschmuck, Kurator der Konferenz, lehrt als Professor u.a. an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und ist einer der profundesten Kenner der Musikwirtschaft, von Urheberrechtsfragen, Kulturpolitik und -ökonomie. In Folge der diesjährigen (wiederholten) Diskussionen über die Zukunft des Musik Business, Urheberrechte, Kulturflatrate oder Festplattenabgabe, wollten wir es endlich wissen: Welche Argument sind berechtigt, welche verfehlt und wo liegen die wahren Probleme?
Herr Tschmuck, was wird gerade am heißesten diskutiert in den Reihen von Entscheidungsträgern der Musikindustrie?
Peter Tschmuck: Die WIPO, die UN-Organisation, unterstützt die International Music Registry und deren Projekt einer zentralen Erfassung von Musiklizensierungsrechten. Auch die Major-Lables sind daran interessiert. Aber wie es aussieht, wird das Projekt wohl nicht zustande kommen.
Was wäre der entscheidende Vorteil einer europaweiten, zentralen Erfassung von Musiklizenzen?
Peter Tschmuck: Für den kommerziellen Musiknutzer ist die Rechteinhaberschaft unüberschaubar geworden und mit hohen Transaktionskosten verbunden. Nun tendieren die großen Verlage dazu, einen One-Stop-Shop zu etablieren – ich gehe zu einem und von dem bekomme ich alles. Daran arbeiten z.B. das Label Kobalt mit der STIM – der schwedischen Verwertungsgesellschaft, Bertelsmann, unser Konferenz-Gast Till Everts bei ARESA. Die EMI handhabt es schon immer so, alles was EMI Publishing lizensiert, wird über eine Gesellschaft, die GEMA, verwertet.
Was bringt es den Majors?
Alle versuchen, die Verwertungsgesellschaften zu umschiffen, auch die Verlage der Majors, denn sie wollen nicht mit allen nationalen Verwertungsgesellschaften einzeln sprechen, weil das einfach zu mühsam ist. Sie wollen gemeinsam eine Gesellschaft gründen, über die das gesamte Repertoire lizensiert werden kann. Das spart Kosten für Anbieter wie Konsumenten.
Klingt nach einem kulturpolitischen Großprojekt wie die Secure Digital Music Initiative, die Ende der 90er Jahre angepackt wurde, aber zumindest nicht so zustande kam, wie anfangs geplant.
Da war das Problem noch viel größer, denn dabei standen auch die Technologieunternehmen mit in den Verhandlungen und die Idee war es, so etwas wie ein riesiges „digital rights management system“ zu entwickeln. Damals hat man sich vor Filesharing gefüchtet – zu Recht oder zu Unrecht – das lasse ich dahin gestellt sein. Das Projekt ist gescheitert, weil die Interessen der Software- und Hardware-Hersteller völlig unterschiedlich waren. Die Hardware-Hersteller haben natürlich gesehen, dass Filesharing rentabel für sie ist. Ich habe das von Anfang an für aussichtslos gehalten.
In diesem Fall ist die Industrie selbst an der Realisierung interessiert, um Transaktionskosten zu sparen. Man nehme irgendeinen x-beliebigen Musiktitel her – es sind zehn Rechte darauf und die muss man erst einmal alle recherchieren und die Rechteinhaber auch finden. Ein Recht ist vielleicht bei irgendeinem Erben eines Songwriters… Deshalb ist der Wunsch sehr groß, eine einfachere Lösung für Lizenzzugriffe zu finden.
Es wird aber auch versucht, Kosten und Verantwortungen auf die Nutzer und Benutzer zu übertragen, z.B. mit der neuen GEMA-Lizenzgebühr für DJs, die sich nun selbst um die Lizenzen ihrer Musikdateien kümmern müssen, ein sog. Laptopzuschlag an den Veranstalter reicht nicht mehr aus…
Richtig, die größere Tendenz ist: alles, was jenseits der großen Katalogverwertung steht – damit wollen sich die Majors gar nicht beschäftigen.
Aber es ist eben meist genau das, was innovativ ist…
Bei den Majors sind wir dabei an der falschen Adresse.
Weiter: Peter Tschmuck über Indie-Labes und Creative Commons…