Vergisst das Internet mich nie?

Bis noch vor nicht allzu langer Zeit gab es eine Art Grundkonsens darüber, dass persönliche Daten nicht gedankenlos ins Internet gestellt werden. Zu groß war die Furcht, dass Dritte diese verwenden und missbrauchen könnten. Dies hat sich mit dem Web 2.0 schnell und grundlegend geändert.

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Im blinden Vertrauen, dass die Privatsphäre von den Betreibern der jeweiligen Social-Website gewahrt bleibt, werden Name und Fotos, dazu vielleicht auch noch das Geburtsdatum und die Wohnadresse freiwillig angegeben Die Diskretion über die eigene Person, die Selbstbestimmtheit beim Einloggen – all das wird also gleich zu Beginn per Mausklick abgegeben.

Bereits Realität: Wer auf seinem Handy das Betriebssystem Android nutzt, braucht sich gar nicht mehr mit Facebook zu verbinden, um seine – zentral bei Google gespeicherten – Kontakte mit den Facebook-Freunden zu verknüpfen. Es reicht vollkommen, sich Benachrichtigungen der Social-Network-Plattform via SMS zuschicken zu lassen und schon werden automatisiert Verknüpfungen hergestellt. Praktisch, dass dann neben jedem Eintrag in den Kontakten auch gleich das Foto und der aktuelle Status angezeigt wird –ohne die Einwilligung der User einzuholen. Facebook-User müssen selbst gar keine Wohnadressen und Telephonnummern eingeben, damit Google diese Daten mit ihrem Profil verknüpfen kann. Kurz: Das menschliche Leben wird mit einer nie vorgesehenen Geschwindigkeit von zwei amerikanischen Firmen zentralisiert, aufgesogen und kontrolliert.

Bei den diesjährigen Sommergesprächen der Waldviertel Akademie in Weitra denkt der Schriftsteller Martin Leidfrost dies noch ein wenig weiter. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Nutzer eines Google-Handys die Identität von beinahe jedermann entschlüsseln kann, sobald die Kamera des Handys irgendwo in der Öffentlichkeit auf eine Person gerichtet wird – auch irgendwie Augmented Reality. Facebook spielt dabei die wichtige Rolle, dass dieses soziale Netzwerk als „lebendiges Archiv“ agiert. Erneut kommt Google ins Spiel. Was einst als unschlagbare Suchmaschine galt, ist längst ein undurchsichtiger Überwachungsmoloch: Angefangen beim Speichern von Suchanfragen bis hin zu Google-Streetview wird jeder kleinste Schritt des User dokumentiert und steht zur Auswertung bereit. Wenn sich derartig dynamische Prozesse so rasch potenzieren, bleibt die Frage offen, ob ein „anonymes, unbeobachtetes Leben in nächster Zukunft noch möglich sein wird“. Und wenn nicht, gilt es festzustellen, welche negativen Auswirkungen das tatsächlich haben kann und wie man diesen begegnet.

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