Neugierde statt Hoffnungslosigkeit – Daniel Ebner vom Festival Vienna Shorts im Interview

Die 18. Ausgabe des internationalen Kurzfilmfestivals Vienna Shorts findet in einer Hybridversion statt – u. a. im Stadtkino, im Filmmuseum, im Porgy & Bess sowie online. Co-Festivalleiter Daniel Ebner über Leidenschaft, Widerstandsfähigkeit und kollektives Atem-Anhalten.

© Vienna Shorts / »Ale Libre« von Maya Cueva

2020 musstet ihr – wie viele andere Festivals auch – ins Netz ausweichen. Wie blickt ihr mit dieser Erfahrung auf die diesjährige Ausgabe von Vienna Shorts?

Daniel Ebner: Vor einem Jahr ist das alles sehr kurzfristig geschehen und hat sich letztlich auch wie ein neues Abenteuer angefühlt. Das Programm war ja im Grunde schon fertig – und anstatt im großen Trubel mit der Gästebetreuung, dem Katalog und der Produktion zu starten, haben wir uns plötzlich im Homeoffice wiedergefunden und uns ausschließlich damit beschäftigt, ob die Umsetzung eines Online-Festivals möglich wäre, und wenn ja, wie das aussehen sollte. Für dieses Jahr waren die Voraussetzungen dann ganz andere: Wir haben im Sommer schon beschlossen, dass wir die Vorteile der Online-Plattform parallel zu unseren Kinos auf jeden Fall weiter nutzen wollen – schließlich können nicht alle nach Wien zum Festival kommen, d. h. da geht es auch darum, Inhalte überhaupt zugänglich zu machen. Dass wir uns nun wieder in einer Position finden, in der wir langsam zu akzeptieren beginnen, dass ein großer Teil von Vienna Shorts erneut nur online stattfinden wird, haben wir so zwar nicht erwartet. Aber zumindest sind wir in der schönen Lage zu wissen, dass das Festival auf jeden Fall stattfinden kann. Das ist schon sehr beruhigend.

Co-Festivalleiter Daniel Ebner (Foto: Vienna Shorts)

Mit der Online-Plattform This Is Short, einer Kooperation von vier europäischen Kurzfilmfestivals, gibt es seit Anfang April eine digitale Ergänzung zu Vienna Shorts. Wie greifen diese beiden Komponenten ineinander?

Wir haben uns schon im Vorfeld des letztjährigen Festivals gedacht, dass es unmöglich die Zukunft sein kann, dass nun jedes Festival seine eigene Plattform baut und das Publikum dann am Ende mit zig Log-ins für Dutzende Festivals dasteht, die jeweils nur ein paar Tage online sind. Drum haben wir zusammen mit drei engen Partnern aus Deutschland, Holland und Polen schon früh darauf hingearbeitet, eine gemeinsame Plattform zu entwickeln, für die nur ein Zugang benötigt wird und über die alle vier Festivals erreicht werden können. Da wir alle in einem Zeitraum von drei Monaten stattfinden, wird die zentrale Plattform This Is Short nun auch von Anfang April bis Ende Juni von allen Festivals gemeinsam mit Programm bespielt. Und ab 27. Mai hat man von dort eben auch die Gelegenheit, auf die Inhalte von Vienna Shorts zuzugreifen.

Welche Highlights und Themenschwerpunkte aus dem heurigen Programm eures Festivals kannst du uns schon verraten?

Angesichts der engen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene – trotz sehr unterschiedlicher finanzieller Voraussetzungen – war es naheliegend, dass wir uns mit dem Thema Solidarität beschäftigen. Das hat uns in den vergangenen Jahren ja auch sehr stark begleitet, sei es nach der Finanzkrise, im Zuge der Flüchtlingskrise oder nun aktuell, wenn es um den Umgang mit der Pandemie und Impfstoffen geht. Selbstverständlich kommen wir an der Pandemie auch sonst nicht vorbei: Ein großer Teil der heuer rund 5.000 Einreichungen aus aller Welt hat sich mit dem Ausnahmezustand beschäftigt – und auch wenn das oftmals noch recht unreflektiert geschehen ist, haben uns vereinzelte Filme doch sehr beeindruckt und zum Nachdenken, Schmunzeln oder auch Lachen gebracht. Diese Widerstandsfähigkeit und dieser neugierige, fast forschende Zugang hat uns jedenfalls deutlich mehr interessiert, als einfach nur Leid und Hoffnungslosigkeit zu spiegeln.

The Gap ist stolzer Partner bei der alljährlichen Verleihung des Österreichischen Musikvideopreises im Rahmen von Vienna Shorts. Welche Entwicklungen beobachtest du in diesem Bereich des Filmschaffens?

Der Österreichische Musikvideopreis wird dieses Jahr schon zum neunten Mal im Rahmen des Festivals vergeben und ist sicher jener unserer vier Wettbewerbe, in dem sich inhaltlich und repräsentativ am meisten getan hat. Von den 16 heuer nominierten Videos stammt die Hälfte von Frauen – das war vor sieben, acht Jahren noch ganz anders. Und auch die filmische Professionalität der Arbeiten ist enorm gestiegen. Da wir nicht der Amadeus sind, sondern ein Filmfestival, entscheidet die Jury nicht über die Qualität der Musik, sondern über die beste Regie und das stimmige Zusammenspiel von Ton und Bild. Entsprechend breit und eklektisch ist daher auch immer das musikalische Line-up, das dieses Jahr u. a. Conchita Wurst, Kruder & Dorfmeister, Ja, Panik, Mira Lu Kovacs, Keke und Leyya umfasst. Den Auftakt macht zudem ein Video für das Wiener Duo Esrap, das im Anschluss im Porgy & Bess auch live auf der Bühne stehen wird.

Nominiert für den Österreichischen Musikvideopreis: Ja, Panik »Apocalypse or Revolution« von Dagmar Schürrer

Dürfen wir dich zum Abschluss um ein leidenschaftliches Plädoyer für den Kurzfilm bitten?

Ich habe haufenweise gute Argumente, wenn es um die Vorteile und Großartigkeit der kurzen Form geht, aber die Leidenschaft hat nicht so sehr mit der spezifischen Länge zu tun, sondern mit der Kunstform Film und ihrer schönsten Präsentationsfläche, dem Kino. Das Mitfiebern vor der Leinwand, das kollektive Atem-Anhalten, das laute Mitlachen, das immer wieder Reinkippen, das anschließende Grübeln – keiner künstlerischen Ausdrucksform gelingt es auf ähnliche Art und Weise, das Herz und das Hirn so direkt und gleichzeitig anzusprechen wie dem Film, egal ob der zwölf oder 120 Minuten dauert. Diese Leidenschaft teilen bei uns alle im Team. Und dann kommt halt noch die Neugier dazu, dass wir nicht nur das sehen wollen, was schon mehrfach angepasst wurde, um in einen kommerziellen Rahmen zu passen, sondern das, was es schafft, uns in seiner Unmittelbarkeit zu überraschen. Sei es geschliffen oder rau, wuchtig oder behutsam, unheimlich verrückt oder zum Schreien komisch. Das alles wird man bei uns beim Festival finden – und ich verspreche, dass alle Filmliebhaber und Cineastinnen Ende Mai auch garantiert auf ihre Kosten kommen werden.

Daniel Ebner leitet gemeinsam mit Doris Bauer das internationale Kurzfilmfestival Vienna Shorts. Der langjährige Kulturjournalist hat das Festival vor 18 Jahren selbst mitbegründet. Die Gewinnerfilme des Festivals sind automatisch für die Oscars, den Europäischen Filmpreis und den Österreichischen Filmpreis qualifiziert. Vienna Shorts 2021 findet von 27. Mai bis 1. Juni statt, großteils online.

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