Von Königen und Kaisern

The Gap präsentiert »Des Kaisers neue Kleider«, das neue Video der Wiener Band Neuschnee. Im Frühling erscheint ihr drittes Album »Schneckenkönig«.

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Es überrascht etwas, dass Neuschnee, diese wunderbaren Vermenger des Klassischen mit dem Modernen, erst zwei Alben veröffentlicht haben. Schon lange sind sie auf dem Radar heimischer Popinteressierter, das letzte Machwerk »Bipolar« liegt bereits lange fünf Jahre zurück. Das – nomen est omen – zweigeteilte Werk, ein Konzeptalbum beginnend mit dem so typischen Streicherklang und sich schlussendlich in dicken Beats ergebend, war lange das letzte gemeinsame Lebenszeichen der sechs Neuschnees. Klar, auseinander waren sie unterwegs. Neuschnee-Mastermind Hans Wagner als Hans im Glück und bei – man munkelt, nicht mehr – Das trojanische Pferd. Julia Pichler, die beliebteste Violinistin von Indie-Wien, lieferte zuletzt die Streicharbeiten für Raphael Sas’ »Nackerte Lieder«.

»Schneckenkönig«

Nun, also im März nächsten Jahres, erscheint mit »Schneckenkönig« das dritte Album, von dem man sagt, es sei natürlich nach dem zweiten Album das schwerste. Es ist ein Konzeptalbum geworden, ein im jungen österreichischen Pop äußerst selten gewordener Gast im Plattenregal. »Amore« reicht dafür ja herzlich nicht. Auf »Schneckenkönig« geht es um einen von Rastlosigkeit geplagten Herrscher, der sich auf die große Sinnreise begibt, Menschen trifft, Geschichten und damit Songs begegnet, nur um sich am Schluss des inneren Glücks als höchstes aller Gefühle sicher zu werden. Auch die musikalische Umsetzung reist durch die Zeit und Genres, Pop, Elektronik, Kammermusik, Ballade und Klassik wären denkbare Tags.

»Des Kaisers neue Kleider«

Auf eine Reise begibt sich auch Hans Wagner im hier und heute präsentierten Vorboten von »Schneckenkönig«, dem ersten Video, das den nicht weniger malerischen und Assoziationen weckenden Titel »Des Kaisers neue Kleider« trägt. Seine Reise führt ihn vom Studio-Wohnzimmer mit Sockenpflicht, über die dunkelsten Gossen und steilsten Stiegenhäuser, über fahrende Rolltreppen bis hin zur Donau, wo ihn schließlich seine Bandkollegen empfangen. Vor kurzem noch alleine, wird er durch seine Band Kaiser, König oder Edelmann statt eben Bürger, Bauer oder Bettelmann, wenn man so will.

Von großbuchstabiertem Rock, bei dem die Gitarren überwiegen und der Klassik nur mehr wenig Raum lassen, begleitet, spricht Wagner die großen Themen der Zeit an. Es geht in den konkreten Songs eines Konzeptalbum dann ja nicht nur um das – ha! – Königsthema, sondern um die kleinen Geschichten innerhalb der Rahmenhandlung. Bei »Des Kaisers neue Kleider« ist das nun eine Abrechnung mit dem Ist-Zustand, ein Abgesang an eine Gesellschaft am moralischen Ende und Tiefpunkt: »Wir schaffen uns ab wie Thilo Sarrazin / um mit mehr Rasse statt Klasse durch das Land zu ziehen / Das haben wir alles schon gehabt«, heißt es da folgerichtig. Mit »Alte Haut, neue Schneider / Schau, wir tragen des Kaisers neue Kleider« löst sich das Ganze dann auf. Sie sind immer noch da, sie sind nur jetzt blau.

»Schneckenkönig« von Neuschnee erscheint im Frühling 2016. Das erste Video »Des Kaisers neue Kleider« ist out now, wie man so schön sagt.

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