Auf „It’s all good tho“ verwandelt Wandl Selbstzweifel wie gewohnt in sweeten Cloud-Sound. Uns hat er erzählt, wie er das macht und warum er das Tour-Leben mit Vorsicht genießt.
Trotz 10 Uhr-Müdigkeit ist Wandl vor, während und nach dem Interview überaus höflich. Man kennt ihn eben als Süßi und als Meister des verschleppten Loops, der seinen eigenen Stil etabliert hat. Genauso sweet bleibt er auch jetzt, kurz vor der Erscheinung seiner erste LP „It’s all good tho“. Nach einem Kaffee und zwei Zigaretten erzählt er vom gestohlenen Gott, österreichischem Englisch, den Downsides des Tourlebens und Lieblingsgetränken. Über allem steht das Hinterfragen als Lifestyle. Zweifler gonna zweifel!
Du hast kurze Zeit in Hamburg gewohnt, um die Musik für die Theaterproduktion „Der gestohlene Gott“ zu schreiben und während der Aufführung zu performen. Dabei hast du auch viel improvisiert. Wie groß war die Herausforderung?
In Hamburg habe ich das erste Mal vor einem Team kreativer Leute improvisiert. Wenn ich daheim alleine oder unter meinen allerbesten Freunden bin, dann fällt mir das leicht. Ich komme ja eigentlich vom Improvisieren und habe mir auch dadurch selbst Klavier spielen beigebracht. Aber vor so vielen Leuten habe ich mich das nie so getraut und das war eine sehr schöne Erfahrung, weil mir das Selbstbewusstsein gegeben hat und ich gesehen habe, dass ich auch gut präsentieren kann, wenn ich mich entspanne und darauf einlasse. Live beim Theaterstück war das schon so in einem Rahmen, wo ich komplett planlos war. So genau merke ich mir dann die Akkorde, die ich spiele, oft gar nicht. Ich habe da so meine Skala, auf der ich mich bewege und dann schaue ich, was so passiert, wenn ich ein bisschen rum probiere.
Die Arbeit am Theater und am Album lief ja zeitgleich ab. Es sind auch Teile der Musik fürs Theaterstück am Album zu finden. Wie hat sich das gegenseitig beeinflusst?
Ich habe mit dem Regisseur Moritz Beichl, der ein langjähriger Freund von mir ist, viel über die Funktion von Musik und Dramaturgie geredet. Ich glaube, da hat sich nochmal herauskristallisiert, wie ich einen Bogen über das Album spannen und eine abstrakte Geschichte über eine Dreiviertelstunde erzählen kann. Ich habe in Hamburg auch wieder viel experimentiert, was davor nicht mehr so der Fall war, weil ich eher Tracks fertig gemacht habe. In Hamburg war ich dann wieder viel freier, habe nächtelang mit Looper durchgespielt. Da sind ja auch diese Instagram-Videos entstanden, mit Hotline Bling und Zigarettenjoe, irgendwelche improvisierte Sachen. Das hat nochmal einen ganz frischen Wind reingebracht in die Produktion.
Im letzten The Gap-Interview meintest du „Scheiß Genres“. Tatsächlich kann man dich schlecht in ein Genre stecken und du bedienst dich auch aus allen Richtungen. Gerade beim neuen Album ist viel Jazz dabei. Das ist schon eher ein alter Sound, älter als du selbst. Woher kommt dieser Einfluss?
Mir geht es viel um Soundästhetik. Da taugen mir vor allem kaputte Tape-Aufnahmen, zerkratzte Vinyls, die dreckig und warm klingen. Gerade die Wärme ist bei den meisten modernen Produktionen ziemlich untergegangen. Ich tu mir auch oft schwer, up to date zu bleiben mit neuen Sachen, die rauskommen. Dadurch, dass ich immer nach Samples suche, bin ich da eigentlich schon ziemlich ausgelastet mit altem Material, das ich durchforste.
Gibts trotzdem ein Genre, das du wirklich kategorisch ausschließt?
Schlager. Das ist eigentlich naheliegend. Sogar Country-mäßig gibt es geile Sachen. Wenn ich da an den Soundtrack von GTA San Andreas denke. Den Sender K-Rose habe ich mir schon auch reingezogen. Ich höre in letzter Zeit viel Footwork, viel Juke, Happy Hardcore, Jungle. Sehr clublastig momentan. Ich produziere jetzt auch wieder 140 bpm-Sachen. Taugt mir gerade. Schon noch unter diesem Sound, der das ummantelt, aber ich sehe da oft auch nicht so krasse Unterschiede. Das Schönste ist, wenn man das Gefühl hat, jemand nimmt sich aus aller Welt etwas und macht daraus trotzdem was ganz eigenes. Ich glaube, es ist schon hilfreich, da offen zu bleiben.
Vor allem bei dem Album hast du ja auch bewusst mit Samples und selbst eingespielten Sachen gespielt. Das ist gar nicht so einfach rauszuhören. Hast du diese Wärme der alten Vinyls dann selbst imitiert?
Ja, das war der Versuch. Ich habe nicht so viele analoge Gerätschaften daheim, aber ich wollte es ein bisschen faken, wie meine Wohnung klingen lassen. Ich habe sehr viel experimentiert mit Räumlichkeiten, wie man Sounds positionieren kann, wie man sie verschwimmen lassen kann und trotzdem scheinhörbar machen. Es sind echt viele Layers drin, die man beim ersten Hören vielleicht gar nicht so wahrnimmt, aber die trotzdem mitschwingen und eine Ambivalenz reinbringen. Gerade wenn ich an „Sweet Love“ denke: Das ist eigentlich eine sehr simple Akkord-Struktur, aber dann kommen so ganz verstimmte Synthie-Geigen rein. Ohne die wäre der ganze Song nur der halbe Spaß, weil das nochmal Unsicherheit reinbringt und diese Schwermütigkeit bei so einem schönen Song nochmal besser darstellt für mich.
Gerade diese Unsicherheit und der Selbstzweifel sind schon große Themen bei deiner Musik. Bist du selbst jemand, der viel zweifelt oder ist das einfach etwas, das gut zu deiner Musik passt?
Ich bin sehr selbstkritisch und manchmal ein bisschen zu streng mit mir selbst. Ich sehe oft gar nicht so, dass ich eh viel mache und fleißig bin. Aber es ist auch schwierig bei der Musik. Wenn man lange nichts abschließt, hat man manchmal das Gefühl, man arbeitet in eine Leere rein. Da ist es oft schwer, wenn man wirklich lange sitzt, noch den Erfolg zu sehen. Aber ja, ich bin sehr selbstkritisch und das ist auch ein Thema, das mich selbst ein bisschen an mir nervt. Ich will oft nicht so gemein zu mir selber sein. Aber ich kann das, glaube ich, recht gut in der Musik ausdrücken.
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