Anfang März kommt der Film von Mirjam Unger, "Maikäfer flieg" nach dem gleichnamigen Roman von Christine Nöstlinger in die österreichischen Kinos. Wir sprachen mit der Regisseurin.
Sie hatte es eilig. Letzten Sommer verfilmte Mirjam Unger den gleichnamigen Roman "Maikäfer flieg" von Christine Nöstlinger. Bei 45°C wurde gedreht, Herbst und Winter wurde geschnitten. Mirjam Unger wollte den Film unbedingt 2016 auf die Leinwand bringen. "Mir war das einfach wichtig. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass Christine Nöstlinger dieses Jahr 80 wird. Vielleicht an der aktuellen politischen Situation. Denn die täglichen Medien geben genau das wieder, was bei dem Film im Fokus steht. Die Geschichte einer Familie, die flüchten muss, weil Krieg herrscht. Die Verfilmung könnte nicht aktueller sein." Mirjam Unger erzählt, wie aus "Rotzmensch", russischem Superstar und Einfluss aus Panem ein Drama gedreht wurde. Ihre Filme handeln oft von besonderen Menschen und ihren persönlichen Geschichten, so auch ihr letzter Film "Meine Narbe" (2014), in dem es um Frauen und speziell das Thema Kaiserschnitt geht.
Was hat dich zu der Verfilmung des Romans einer echten Wienerin bewegt?
Mirjam: Zum einen der Aspekt, dass es sich um eine Geschichte handelt, die aus der Perspektive der Zivilbevölkerung und nicht aus der Sicht der Machthaber erzählt wird. Auch spielen in dem Roman die russischen Besatzer eine zentrale Rolle, über die ich noch nirgendwo anders so viel erzählt bekommen habe wie bei Christine Nöstlinger. Ihr Buch hat mich das alles hautnah und differenziert erleben lassen. Und es gibt Parallelen zu dem, wo ich herkomme, nämlich aus einer gespaltenen Familie.
Mit "gespaltener Familie" meinst du den Spagat zwischen jüdischem und wienerischem Einfluss?
Mein Vater ist Israeli und diesen jüdischen Background konnte ich mit "Viennas Lost Daughters", in dem die Geschichten von jüdischen Frauen, die zur Zeit des Nationalsozialismus von Wien nach New York als junge Mädchen geflüchtet sind, wiedergeben. In "Maikäfer flieg" konnte ich mich mit der Familiengeschichte mütterlicherseits befassen. Meine Mutter, die aus einer urösterreichischen Arbeiterfamilie kommt, erlebte den Krieg als Kind mitten in Wien, ähnlich dem Schicksal von Christine.
Handelt es sich bei dem Film um einen Kinderfilm? Der Titel erinnert ja bereits an ein Kinderlied…
"Maikäfer flieg" ist ein Film für alle, ein Familienfilm im besten Sinne, so dass generationsübergreifend dazu diskutiert werden kann und er hat viele Facetten. Der typische Humor von Nöstlinger macht ihn zur Komödie, natürlich ist es auch eine Drama mit etwas Action. Der Film richtet sich an alle, eben wie ein Gesellschaftsspiel, das die Altersangabe 9- 99 Jahre hat. Leider haben wir eine Altersfreigabe erst ab 12 bekommen. Als würden die Kinder von heute nicht viel Schrecklicheres täglich in den Nachrichten sehen. Es ist also kein Kinderfilm. Der Titel "Maikäfer flieg" kommt aber von dem gleichnamigen Kinderlied und erinnert natürlich an Krieg. Das Lied ist aber älter als der 2. Weltkrieg, es war lustigerweise immer ein Lieblingslied von mir als Kind, und ich denke, die Kinder von heute sind wieder mit Krieg und Flucht konfrontiert und es wird nach wie vor gesungen.
Die Schauspieler wirken sehr authentisch. Konnten sie sich gut mit der damaligen Situation identifizieren?
Jeder der SchauspielerInnen hat in der eigenen Familie zum Thema Krieg und Besatzungszeit recherchiert. Uschi Strauss‚ Mutter hat die russische Besatzung ebenfalls als Kind miterlebt und Uschi viel erzählt. Gerald Votavas Verwandter war drei Tage im Krieg als Kind verschüttet und konnte sich auch noch gut an die Russen erinnern und hat uns viel weitergegeben in seinen Berichten. Zudem haben wir lange mit Nöstlinger Gespräche geführt und sie hat uns noch viele Details wissen lassen, wir haben Dokumentationen geschaut und authentische Kriegsberichte gelesen. Auch haben alle "Method Acting" mäßig gehungert, um das Hungergefühl zu integrieren und alle haben für den Film abgenommen. Einige Wochen vor Drehbeginn habe ich Diätpläne ausgeteilt. Es waren alle SchauspielerInnen um mindestens fünf Kilogramm leichter beim Dreh. Bemerkenswert war, wie viel Zita Gaier (Christl) und auch die anderen Kinder bei den Dreharbeiten über die damalige Zeit gelernt und gefragt haben. Die Situation des Aufeinandertreffens und Zusammenlebens mit den russischen Soldaten wurde natürlich durch die russischen Schauspieler sehr authentisch. Es war eine große Ehre, den russischen Filmstar Konstantin Khabensky (Cohn) dabei gehabt zu haben, er spielt ja auch in Hollywood. Er spricht übrigens kein Wort Deutsch und hat für den Film alles phonetisch gelernt.
Was unterscheidet Christl von den anderen Kindern damals und warum bekam Zita Gaier die Rolle?
Zita Gaier hat eine hohe Authentizität, sie hat verstanden, dass man für Film nicht viel dazu machen muss, der innere Zustand und das Wissen um die Situation ist wichtig. Zudem hat sie, wie auch die Rolle der Christl, eine starke soziale Ader. Sie kannte jeden der Teammitglieder bis hin zu jedem Komparsen beim Vornamen, wusste, woher er kommt und was sie tut und hat sich vor und hinter der Kamera für alles interessiert und sich ihre eigene Meinung gemacht. Zum anderen passt sie optisch gut in die Rolle und kann wie ein Kind von damals auf Bäume klettern, schnell laufen und wächst ohne Videospiele auf.
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