Wortwechsel: Sexismus in der österreichischen Filmbranche

Die Debatte über Sexismus in der (österreichischen) Filmbranche ist noch lange nicht abgeschlossen. Vereine und Anlaufstellen wie FC Gloria, #we_do! oder Vera* leisten wichtige Arbeit. Doch, wie auch die erneute Welle an #MeToo-Berichten letztes Jahr zeigte, scheint noch einiges an struktureller Schieflage zu existieren. Wo genau gibt es Defizite beim Umgang mit Sexismus und Machtmissbrauch in der österreichischen Filmbranche? Welche konkreten Maßnahmen sind notwendig? Wie können Opfer besser unterstützt werden? Wie soll mit Täter*innen umgegangen werden? In unserem Wortwechsel erläutern vier Personen aus der österreichischen Filmszene ihren Standpunkt zu diesen Fragen.


Monika Bernold

Kultur- und Medienwissenschaftlerin, Universität Wien

Monika Bernold (Foto: Barbara Mair)

Kulturwandel praktizieren

Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe sind keine Alleinstellungsmerkmale der Filmbranche und müssen daher im gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen und bekämpft werden. Es gibt dort ein Problem, wo es kein Unrechtsbewusstsein gibt und Sexismus als »Alltagssprech« akzeptiert wird. Die spezifischen, oft informellen Arbeitsverhältnisse der Filmbranche – hohe Budgets, großer Zeitdruck – begünstigen Machtmissbrauch und werden gleichzeitig von vielen Akteur*innen als Argument benutzt, um notwendige Auseinandersetzungen und Gespräche zu blockieren. Wir müssen uns von der Fantasie verabschieden, dass Demütigungen, psychische und verbale Gewalt Voraussetzungen für kreative Arbeit sind oder »dazugehören«. Das Gegenteil ist der Fall!

Konkret ist notwendig, dass wir bei der Geschlechterparität in der Filmbranche weiterkommen. Hierfür braucht es weitere Förderinstrumente und Quoten. An den Filmakademien und Ausbildungsorten wäre mit strukturellen Veränderungen zu beginnen. Interessensvertretungen wie FC Gloria müssen gestärkt, prekäre Arbeitsverhältnisse verbessert, Raum und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Der Austausch über konkrete Schwierigkeiten bei der Implementierung von Maßnahmen, wie sie in Österreich gerade in Gang kommen, ist ebenfalls wichtig. Es gilt, »Kulturwandel« zu praktizieren – propagieren allein reicht nicht.

Für die Betroffenen geht es um das Vorhandensein und das Wissen um interne und externe Anlaufstellen und Vertrauenspersonen. Initiativen wie #we_do! müssen verbreitert und ausgebaut werden. Sexismus hat viele Gesichter und es gibt sehr unterschiedliche Formen sexistischer Übergriffe und sexueller Gewalt. Diese im Sprechen über konkrete Fälle auseinanderzuhalten ist sinnvoll und notwendig. Der Umgang mit Täter*innen ist durch das Gleichbehandlungsgesetz und das Strafgesetzbuch klar geregelt, auch wenn das Bewusstsein darüber ausbaufähig ist.

Monika Bernold ist Professorin für Kulturgeschichte audiovisueller Medien an der Universität Wien. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Medien-, Konsum und Geschlechtergeschichte sowie feministische (Auto-)Biografieforschung.


Danny Krausz

Filmproduzent, Institutsleiter Filmakademie Wien

Danny Krausz (Foto: Dor Film / Stefan Oláh)

Vorgaben festlegen, vorleben und konsequent einhalten

Das Filmemachen ist meistens eine personalintensive Teamleistung von kreativen Künstler*innen und weiteren Mitarbeiter*innen. Die heterogene Zusammensetzung von Menschen unterschiedlichster Herkunft, Ethnie und gesellschaftlicher Einbettung, die in einem hierarchischen Drehprozess eingebunden werden, braucht individuell ein hohes Maß an sozialer Kompetenz. Das macht Filmemachen unvergleichlich zu vielen anderen Branchen.

Sexismus und Machtmissbrauch ist aber überall dort anzutreffen, wo es keine Sensibilität im Umgang miteinander gibt und wo der Respekt vor- und füreinander nicht gelebt wird. Als Produzent*innen haben wir die Verantwortung, klare Vorgaben festzulegen, vorzuleben und einzuhalten. Diese Form der Prävention kommt für mich lang vor Reglements und vertraglichen Verpflichtungen. Unabhängig davon müssen wir definieren, was wann im Fall einer Tat zu tun ist, denn das ist die sensibelste Phase.

Dazu braucht es geschützte Anlaufstellen unabhängig von der jeweiligen Produktion. Ganz junge neue Initiativen versuchen, genau da einzuhaken. Diese Strukturen müssen auch weiter gestärkt werden. Als Produzent*innen müssen wir souverän und weitsichtig handeln und Informationen rasch weitergeben. Auf diese Weise können wir Opfer unterstützen und helfen, ihre Zahl zu verringern. Die Täter*innenfrage ist ebenso komplex. Expert*innen müssen, so eigenartig das klingen mag, einen »Tatenkatalog« erstellen und daraus auch eine Folgestrategie entwickeln. Nur das kann uns erst den Diskurs bezüglich des Umgangs mit Täter*innen eröffnen. Es braucht einen konsequenten Umgang mit den Täter*innen und gleichzeitig mehr Sensibilität und Respekt für das Empfinden der Opfer.

Danny Krausz ist Mitgründer der Produktionsfirma Dor Film und seit Mitte 2019 auch Leiter der Filmakademie Wien – Institut für Film und Fernsehen der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.


Meike Lauggas

Beraterin, Anlauf- und Beratungsstelle #we_do!

Meike Lauggas (Foto: Johannes Zinner)

Betroffene einbeziehen

Alle Beteiligten sind dafür verantwortlich, was in der Filmbranche akzeptiert wird und was nicht – aber mit unterschiedlich viel Macht und Spielraum. Verantwortliche müssen ihre Fürsorgepflicht, Arbeitsrecht und Diskriminierungsschutz sehr viel ernster nehmen, entsprechende Konsequenzen ziehen und Präventionsschritte setzen. Dies kann über die Koppelung an Fördergelder, anonyme Feedbacks nach einer Produktion, Informationskampagnen, Beratungsstellen und nicht zuletzt darüber erfolgen, dass Personen, die sich weiterhin nicht an Regeln halten, auch nicht mehr beschäftigt werden.

Statt von »Opfern«, denen als Person Wehr- und Hilflosigkeit zugeschrieben wird, sollten wir von Betroffenen einer konkreten Situation sprechen. Entscheidungen über weitere Schritte müssen immer bei der betroffenen Person bleiben. Erfahrungsaustausch, direktes Einschreiten, Proteste, Unterstützungsangebote (auch noch später) und Zusammenschlüsse können dann sinnvoll sein. Aber auch die strukturelle Ebene sollte durch präventive Maßnahmen und ihre Vorbildwirkung glaubhaft machen, dass sie Vorfälle ernst nimmt und in Folge auch konkret handelt.

Auch Täter*innen ist ein kontraproduktiver Begriff, besser ist: Beschuldigte oder Verursacher*innen eines konkreten Ereignisses. Beschuldigte müssen jedenfalls angehört werden. Gegebenenfalls sollten sie ernsthaft Verantwortung für ihr Verhalten bei einem spezifischen Ereignis übernehmen, anerkennen, was sie angerichtet haben, es glaubhaft bedauern und eventuell auch Entschädigung leisten. Beschuldigte weisen häufig alles von sich und fühlen sich durch die Beschuldigung als »Opfer«; Betroffene hingegen gehen meistens ein hohes Risiko ein, wenn sie etwas zur Sprache bringen.

Meike Lauggas ist selbstständige Organisationsberaterin und Coach, spezialisiert auf Anti-Diskriminierung und Arbeitsrecht. Sie ist unter anderem für #we_do! Anlauf- und Beratungsstelle der österreichischen Filmschaffenden tätig.


Iris Zappe-Heller

Stv. Direktorin, Beauftragte Gender & Diversity, Österreichisches Filminstitut

Iris Zappe-Heller (Foto: Österreichisches Filminstitut)

Code of Ethics und Aufklärungsarbeit

Da Machtmissbrauch und Sexismus häufig miteinander verlinkt sind und als strukturelle Probleme auftreten, verlangt es einen umfassenden und nachhaltigen Umgang. Die Defizite sind in sehr vielen Bereichen spürbar.

Das Filminstitut arbeitet gemeinsam mit anderen Organisationen und Einrichtungen an unterschiedlichen Maßnahmen. Die erste von uns getroffene war die Einbeziehung des Code of Ethics in die Förderverträge; damit sind alle unsere Vertragspartner*innen verpflichtet, diesen einzuhalten. Daneben setzen wir in erster Linie auf Aufklärungsarbeit, da vieles gesetzlich geregelt ist, dies aber zu wenig bekannt ist. Dazu sind auch bereits einige Veranstaltungen geplant, in denen Arbeitsrechtler*innen, Intimitätskoordinator*innen, Kindercoaches und Branchenvertreter*innen zu Wort kommen werden. Wir empfehlen auch entsprechende Aufklärungsveranstaltungen zu Beginn von Dreharbeiten. Eine weitere Empfehlung ist, Ansprechpersonen am Set zu haben, die über eine Ausbildung verfügen, um mit derartigen Situationen umgehen zu können, und die Betroffene unterstützen. Selbstverständlich stehen den Betroffenen auch Einrichtungen wie #we_do oder Vera* zur Verfügung.

Im Umgang mit Täter*innen stellt sich hingegen zunächst einmal die Frage: Wann spricht man von Täter*innen? Meist gibt es nur Gerüchte … Und da macht es sicherlich Sinn, die Person konkret darauf anzusprechen und Präventivmaßnahmen zu setzen, um diese Person zum Beispiel nicht alleine mit anderen Personen arbeiten zu lassen (etwa in Maske, Kostüm, bei Proben oder im Schneideraum). Verträge mit Stab und Crew sollten einen Verhaltenskodex und Hinweise auf Folgen bei Verstößen beinhalten.

Iris Zappe-Heller ist seit 2011 stellvertretende Direktorin und seit 2014 Beauftragte für Gender & Diversity am Österreichischen Filminstitut.

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