Züricher Clubs im Interview: Cityfox

Zürich hat im Verhältnis zur Fläche der Stadt und deren Bevölkerung die größte Clubdichte aller europäischen Städte. Behaupten Tourismusverein und Stadtmarketing einfach mal. Berlin, London und Paris wenden dagegen nichts ein. Aber: Was genau unterscheidet die größte Stadt der Schweiz von Wien und deren Clublandschaft? Im Interview mit Billy Bildstein, Veranstalter der Cityfox Parties und Chef des gleichnamigen Labels wird deutlich, wo die groben Unterschiede liegen, was die eine Stadt hat und was der anderen vermutlich fehlt.

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In wie weit würdest du Zürich und Wien als Feierstädte vergleichen? Was sind Ähnlichkeiten, was die größten Unterschiede?

Der erste große Unterschied ist mal sicherlich die Sperrstunde. Bei euch in Wien ja grad ein großes Thema, oder? Hier in Zürich gibt es keine Sperrstunde für Clubs und dies ermöglicht uns, einen etwas grösseren Bogen in einer Nacht zu spannen. Wir können die Party sozusagen zu Ende bringen, in Wien wird womöglich in den besten Momenten der Stecker gezogen. Was natürlich auch Vorteile haben kann, die Vorfreude aufs nächste Mal wird dann sicher immer groß sein. In Zürich kann eine Party auch mal zulange gehen, man verpasst dann den richtigen Zeitpunkt um Schluss zu machen. Es ist oft schwierig, sich selber Grenzen zu setzen, darum gibt es ja auch solche Gesetze.

Ein anderer Unterschied ist wohl, dass Wien noch nicht ganz so verbraucht ist, gerade wenn es um die Szene und die Musikrichtung geht, in der wir tätig sind. Mir kam es mal zumindest so vor, die Leute und das Publikum sind noch etwas fresher in Wien. Wobei das wiederum bedeutet, dass das Bewusstsein für die Musik vielleicht noch nicht so ausgeprägt ist wie in Zürich. Dies ermöglicht es für innovative Veranstalter wie etwa die Jungs von Stadtpark Musik, die Szene aufzubauen und zu prägen, wobei das auch nicht immer ein dankbarer Job sein wird.

Hier in Zürich wiederum besteht die Herausforderung darin, das bestehende Level ständig zu erhöhen, oder mindestens die vorhandene Qualität zu halten. Die Clubdichte im Verhältnis zur Größe der Stadt und deren Bevölkerung ist die größte weltweit, oft entsteht dadurch ein massives Überangebot. Die Clubs haben hier alle eine solide Programmation und werden professionell geführt.

Die Kehrseite ist, dass es nicht mehr viel Freiräume gibt, um neue Locations zu entdecken und dort Clubkonzepte umzusetzen. In Wien scheint dies noch der Fall zu sein, gerade mit der Pratersauna seid ihr um eine unglaubliche Location reicher. Diese gilt es sicherlich noch auszubauen und zu definieren, jedoch fehlt es uns in Zürich schon an der reinen Möglichkeit, einen solchen Ort in einen Club verwandeln zu können.

Die letzte vergleichbare Location in Zürich liegt schon einige Jahre zurück, die legendäre Dachkantine. Danach kamen vor allem Clubs in Kellern oder geschlossenen Räumlichkeiten. Klar, die Alte Börse ist was sehr Spezielles, jedoch hat man auch dort nicht den ultimativen Freiraum. Hier in Zürich muss man sich schon was sehr spezielles einfallen lassen, um es für das Publikum interessant zu machen, in Wien erledigt dies wohl oft schon die Location selbst. Der große gemeinsame Nenner ist sicher der, das in beiden Städten sehr gerne und ausgiebig gefeiert wird.

Stichwort Afterhour: Wie steht die Stadt zu dieser Art des Feiern?

Die Afterhour-Kultur in Zürich hatte ihren Höhepunkt zu Zeiten der vorher erwähnten Dachkantine. Da gab es jedes Wochenende zahlreiche illegale Partys oder einfach kleinere Afterhours bei jemand zu Hause. Teilweise einfach, um die Zeit zur nächsten Party in einem Club zu überbrücken. Heute ist es nicht mehr so üblich, schon alleine darum, weil hier jeder arbeitet und Montag Morgen seinen Job nicht verlieren will. Es gibt spezielle Wochenenden, an denen die Afterhour mehr zelebriert wird, wie zum Beispiel das Wochenende der Streetparade. Manche Clubs veranstalten auch regelmässig Sonntag tagsüber Partys, jedoch auch nicht mehr so exzessiv wie früher. Auch die Party’s in den Clubs dauern nicht mehr solange.

Als wir vor 5 Jahren mit unserer Cityfox Serie angefangen haben, damals noch in der Härterei, standen um 12 Uhr Mittags noch 500 – 600 Leute auf dem Dancefloor. Heute ist es trotz nicht vorhandener Sperrstunde selten, dass reguläre Veranstaltungen länger wie 8 Uhr morgens gehen. Womit das zu tun hat, ist schwierig zu beantworten. Die neue Generation der Clubgänger feiern lieber kurz und intensiv, der Drogenkonsum an sich hat sich sicherlich auch geändert.

In Wien gibt es die Vergnügungssteuer. Das heißt der Veranstalter muss einen gewissen Prozentsatz (10-20%) des gesamten Eintrittspreises abführen. Gibt es derartiges oder ähnliches in Zürich oder überhaupt in der Schweiz?

Hier ist der Eintrittsumsatz steuerfrei.

Du bist selbst Veranstalter und sehr eng mit der Alten Börse und anderen Clubs in Zürich verknüpft. Wie schwierig aus bürokratischer Sicht ist es einen Club zu eröffnen und dann zu führen?

Wie vorher angesprochen, ist die größte Schwierigkeit, eine geeignete Location zu finden. Die nächste Hürde besteht darin, die behördlichen Bewilligungen für einen Clubbetrieb zu bekommen. Gerade Vorlagen und feuerpolizeiliche Abnahmen, wie zum Beispiel Notausgänge, Lüftung, Brandmeldeanlagen usw. sind hier in Zürich ganz genau geregelt und die gilt es zu erfüllen. Das ist oft sehr teuer und nur schwierig umzusetzen. Die Investitionen und Businesspläne sind dadurch sehr ambitioniert geworden, auch bei kleineren Location geht man ein Risiko ein, viel Geld zu verlieren. Das Konzept muss daher sehr durchdacht sein.

Zusatz: Kommt die Stadt einem da entgegen, weil man zum Beispiel als Unternehmer für neue Arbeitsplätze sorgt oder werden einem eher Steine in den Weg gelegt, weil diese "Raves" nicht gerne gesehen werden?

Ich denke in der Bankenstadt Zürich kann man sich als Clubbetrieb nur schwer Anerkennung als Schaffer neuer Arbeitsplätze verdienen. Jedoch ist der Stadt sicher bewusst, dass ein ordentlich geführtes Lokal eine Bereicherung darstellt und Zürich attraktiver macht.

Gibt es deiner Meinung nach so etwas wie "Easyjetraver" die auch nach Zürich kommen?

Das glaube ich weniger. Es gibt sicherlich regelmässige Besucher von den angrenzenden Ländern wie Italien, Österreich und Deutschland. Jedoch gibt es keine großen Touristen Anstürme wie zum Beispiel in Berlin. Noch zu unseren Anfangszeiten gab es öfters organisierte Busse, vor allem aus Deutschland, die zu unseren großen Partys in der Härterei kamen. Damals entstand aber auch ein riesen Hype rund um Cityfox, den wir noch dieses Jahr wieder aufleben lassen wollen. Bald mehr dazu….

Berlin galt und gilt nach wie vor als Europas Feierhochburg. Seit ein paar Jahren war und ist Zürich hoch im Kurs. Nun erscheint auch Wien langsam auf der Karte. Wie siehst du das?

Ich bin kein Wien-Experte, jedoch ist ganz klar spürbar, dass sich da was tut. Mich persönlich freut es, da ich auch Österreicher bin und es mich nicht stören würde, öfters nach Wien zu kommen um unser Label zu präsentieren. Mit der Pratersauna habt ihr einen Club mit Riesenpotenzial, dass es auszuschöpfen gilt. Mit Stadtpark habt ihr Promoter, die das Zeug haben, den nächsten Schritt zu gehen. Das Feedback ist super, alle Artists scheinen es zu lieben in Wien zu spielen. Um jedoch die Feierhochburg Berlin vom Thron zu schupsen oder einen ähnlichen Ruf aufzubauen, scheint mir für Zürich und Wien unmöglich. Aber wollen wir das wirklich?

Ich bin froh, dass es nicht so ist. Dadurch würde es sehr schnelllebig, hype- und trendorientiert.

Ein Freund hat mir erzählt, dass man als Veranstalter in der Alten Börse am Gewinn der Bar beteiligt ist. In Wien gibt es so etwas nicht. Dort zahlt der Veranstalter Miete mit allem drum und dran und bekommt keinen Cent von der Bar. Ist das in Zürich so üblich? Was hälst du davon?

Hier in Zürich ist es üblich, einen Vollkosten-Deal zu haben. Der variiert natürlich in der prozentualen Verteilung, jedoch ist die Basis immer dieselbe. Man nimmt alle Kosten, die eine Veranstaltung verursacht – wie Miete, Personalkosten, Warenkosten, Line-up Kosten, Dekoration, Promotion usw. – und wirft sie in einen Topf. In den selben Topf wirft man allen Netto-Einnahmen wie Eintrittsumsatz, Barumsatz und Garderobenumsatz, in manchen Fällen eventuell noch Sponsoring, was aber in den meisten nicht so kommerziellen Clubs, wie auch die Alte Börse, nicht der Fall ist. Der dadurch entstehende Gewinn wird aufgeteilt; die Aufteilung ist jedoch je nach Deal unterschiedlich.

Ich finde den Deal in Wien nicht sehr attraktiv und fair dem Veranstalter gegenüber.

Was für Abgaben zahlt man als Clubbetreiber in Zürich an den Staat?

In Zürich zahlt man als Clubbetrieb keinen spezifische Abgaben wie die Vergnügungsteuer in Wien.Die Mehrwertsteuer stellt die grösste Abgabe dar.

Zürich und die Schweiz generell haben eine sehr liberale Drogenpolitik? Gibt es so etwas wie Razzien in Clubs?

Klar, die gibt es hier. Gerade am Ende der Dachkantine Zeit vor fünf Jahren gab es einige Razzien in verschiedenen Clubs, da dort die Drogenpolitik etwas zu liberal verstanden wurde. Jedoch ist auch dies nicht mehr so, die Clubs achten sehr darauf, die Gesetze einzuhalten um man arbeiten gut mit der Stadt und der Polizei zusammen. Die Security-Teams sind professionell und es gibt selten Vorfälle. Ich würde die momentane Situation in Sachen Drogenpolitik und Konsum in Zürich als sehr gesund bezeichnen.

Was braucht deiner Meinung nach eine Großstadt damit eine vernünftige Clublandschaft entstehen kann?

Freiräume, Freiheit, Interesse, Toleranz, Macher und Piraten.

Wie hoch sind in Zürich generell die Eintrittspreise und wonach richtigen sich diese?

Für eine Clubnacht an einem Samstag bezahlt man im Schnitt 20 bis 35 Schweizer Franken. (17 – 30 €). Diese richten sich nach Line-Up bzw. Headliner und deren Bekanntheitsgrad und Status in Zürich bzw. Gagenhöhe, da man diese ja auch finanzieren muss. Weiters sind Standort der Location bzw. des Clubs, Dauer der Party, Anzahl der Floors typische Faktoren, um den Eintrittspreis zu kalkulieren.

Zürich ist wie Wien eine dicht verbaute Stadt. Entstehen trotzdem neue Clubs und die Stadt setzt sich dafür ein oder werden die Leute einfach erfinderischer oder beides?

Wie schon gesagt, ist Zürich wohl um einiges dichter verbaut als Wien. Hier werden die letzten Industrieareale gerade zu großen Wohnkomplexen umgebaut, um neuen Wohnraum zu schaffen. Dieser ist sehr knapp, die Mietpreise steigen astronomisch an. Die Freiräume für Kultur schwinden. Jedoch bin ich überzeugt, das man immer noch versteckte Schätze in Form von unentdeckten Locations finden kann. Es war aber definitiv schon einfacher.

Wir selbst sind auch wieder auf der Suche und ich hoffe, dass diese nicht aussichtslos ist. Die Wirtschaftskrise spielt hier eine nicht zu unterschätzende Rolle und auf diese Karte setze ich. Viele Standorte wurden aufgelöst, Eigentümer können es sich nicht mehr leisten, ihre Gebäude lange leerstehend und unvermietet zu lassen. Die Offenheit für Clubkonzepte scheint also wieder zurückzukommen, auch wenn wir keine Wunschkandidaten sind. Dass sich die Stadt selbst dafür einsetzt, konnte ich jedoch noch nicht beobachten.

Gibt es in Zürich wie in Wien ein Rauchverbot in den Clubs? Wenn ja, wie wird dieses gehandhabt; so wohl von Seiten der Clubbetreiber als auch von Seiten der Stadt?

Das Rauchverbot besteht seit 1. Mai 2010. Dies wird in den meisten Clubs ziemlich strikt gehandhabt. Man fliegt nicht raus, wenn man raucht, aber man wird schon klar darauf hingewiesen. Das variiert wiederum, die grossen kommerziellen Clubs sind da sicherlich härter, da die wiederum auch eine größere Aufmerksamkeit der Behörden auf sich ziehen. In den kleinen Clubs drückt man öfters ein Auge zu. Ich als Nichtraucher bin ehrlich gesagt ganz froh über das Rauchverbot, meine Lunge dankt. Die Atmosphären in Raucherräumen zählen aber nicht zu den angenehmsten, da diese ja überall im Nachhinein eingebaut wurden und in den meisten Fällen nur die Mindestauflagen erfüllt wurden, was Größe des Raums und der Lüftung betrifft. Von den anderen Gerüchen abgesehen, die sich nun in den Vordergrund schieben und nicht mehr von Rauchmolekülen ummantelt werden, sehe ich das Rauchverbot nun positiv. Anfangs haben wir schon einen Einbruch gespürt, aber das war wohl einfach die Anpassungsphase. Nun hat sich alles normalisiert und es wird auch nicht mehr gross darüber diskutiert.

Zur Person:

Name: Billy Bildstein

Alter: 30

Veranstalter, Labelbetreiber Cityfox

Österreicher

Bilder: www.alteboerse.com

Die Wiener Clubkultur im Interview mit Flex, Market, Fluc, Susi Klub, Morisson, Pratersauna und Volksgarten: www.thegap.at/wienerclubkultur

Techno Nation Austria mit Reviews aktueller Single-Releases aus Österreich: www.thegap.at/rubriken/stories/artikel/techno-nation-austria

Die Wiener Clubs auf Foursquare: http://mono.at/wrclubkultur4sq

Das Waves Vienna findet von 28. September bis 2. Oktober in diversen Wiener Locations statt: www.wavesvienna.com

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