20 große Kulturensöhne und -töchter aus dem The-Gap-Umfeld erzählen von einschneidenden Erlebnissen und persönlichen Schlüsselmomenten ihrer Vergangenheit – und Zukunft. Teil 1.
Vergangenheit | Games
Conny Lee: Die Erwachsenen waren keine große Hilfe
Meine Geschichte mit Videospielen ist eine Geschichte der Frustration. Mein erster Kontakt mit Games war unser Commodore 64 im Kindergartenalter. Dieser geheimnisvolle Kasten bereitete meinen Brüdern endlose Stunden Unterhaltung, mir hingegen begegnete er nur mit einem herablassend blinkenden Cursor. Ich konnte zwar schon ein bisschen lesen damals, aber der Eingabesprache Basic war ich nicht mächtig. Meine Brüder waren damals schon erwachsen und nur an den Wochenenden daheim. Nur wenn sie mir halfen bot das renitente Gerät auch mir seine Dienste. Werktags musste ich also damit Vorlieb nehmen, durch die Mappe mit den riesigen 5 ¼ Disketten zu blättern und die Bilder auf den Games zu bestaunen. Es war ein ludisches Verhungern vor vollem Teller.
Dann kam der Game Boy. Und ich wollte einen, mehr als alles andere. Und ich habe etwas bekommen, das so ausgesehen hat wie einer. Auf jemanden, der noch nie einen Game Boy in Händen gehalten hatte, hat dieses Gerät mit dem despektierlichen Namen »Game Child« wahrscheinlich sehr überzeugend gewirkt. Tatsächlich hat ein Game Child aber mit einem Game Boy so viel zu tun wie Brokkoli mit einer Schoko-Nougat-Eiscreme-Torte. Man konnte darauf ein einziges Spiel spielen, das auf einem winzigen LCD-Bildschirm ablief, ähnlich den Tricotronics. Ich hatte Fußball. Ein Game Child ist nicht so gut wie ein Game Boy, aber besser als nichts. Deshalb habe ich viele Stunden damit verbracht. Langweilige Stunden, begleitet von hämischem Piepsen – das einzige Geräusch, zu dem das vermaledeite Game Child fähig war.
Dann irgendwann hatte eine Freundin diese wundervolle Maschine namens Super Nintendo Entertainment System. Der schnauzbärtige Klempner mit der roten Latzhose auf dem Bildschirm, der kleine Nintendo-Controller, mit dem sie ihn steuerte, die Musik dazu, das alles hat mich augenblicklich verzaubert. Der Besitz dieser Konsole war von da an mein sehnlichster Wunsch und ich setzte große Hoffnung in das herannahende Weihnachten. Und wirklich, unter dem leuchtenden Baum, da lag ein Paket für mich und es enthielt eine Gaming-Konsole: einen Sega Mega Drive. Der italienische Schnauzbart-Klempner kommt aber nicht zu Kindern mit einem Sega Mega Drive. Für Kinder mit einem Sega Mega Drive gibt es den blauen Igel auf Speed. Das Höllentempo von Sonic the Hedgehog zwingt einen dazu, immer und immer wieder von vorne anzufangen und sein Gaming zu perfektionieren, um es irgendwie durch das Level zu schaffen. Und manchmal war das so frustrierend für mich, dass ich einfach aufhören wollte zu spielen. Aber dann habe ich trotzdem weitergemacht.
Weder dieses nervige Game auf der falschen Konsole, noch das geistlose Game Child konnten meinen Videospieldrang niederzwingen und der Commodore-Kasten mit seinem blinkenden »Du kannst mich nicht bedienen«-Cursor hat mich erst recht angestachelt. Deshalb genieße ich es heute, Videospiele zu spielen so oft ich kann und ich habe nicht vor, damit jemals aufzuhören Aber: Nur die Spiele, die ich will auf den Konsolen meiner Wahl. Niemals wieder Sonic the Hedgehog oder Game Child. Und Basic beherrsche ich immer noch nicht.
Conny Lee arbeitet als Gamesredakteurin bei Radio FM4, unter anderem für FM4 Extraleben, die monatliche Sendung über Videospiele. Außerdem produziert und moderiert sie Sendungen im Tagesprogramm. Dokumentation: Martin Mühl
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