Auch wenn die Wurzeln von The Gap in der Musik liegen, es für Politisches anfangs nur popkulturelle Referenzen übrig hatte und um einige Jahre älter ist als die Autorin dieses Textes, hat diese es geschafft, zehn Highlights zusammenzutragen, die zeigen, wie eng The Gap und eine gewisse politische Haltung zusammengehören.
Kein F dank PÖ
Als Jörg Haider an der Spitze der FPÖ im Jahr 2000 dieses kleine Furzland Österreich noch ein bisschen brauner machte, war ich weniger als ein Gedanke und The Gap gerade einmal drei Jahre alt. Umso beachtenswerter also, dass The Gap sich schon in seinen – magazinhistorisch gedacht – Kindertagen so klar politisch positionierte: Ganz der Dreijährige wurden in der Frühjahrsausgabe desselben Jahres (#34) alle großen F durch Recht-Ecke ersetzt. Ätsch!
Die Uni ist gelöscht
Waren die #unibrennt-Proteste eigentlich erfolgreich? Sie haben jedenfalls einige Unis 2009/2010 erfolgreich eine Zeit lang lahmgelegt, neue Menschen in die (Uni-)Politik geschwemmt und recht deutlich Unmut kundgetan. Den Umbau der Unis zu Ausbildungseinrichtungen mit vermehrten Zugangseinschränkungen und zunehmend verschulten Strukturen konnten sie jedoch höchstens ein wenig verzögern. Wenn dem Editorial aus der Ausgabe #102 (Jänner 2010) Glauben zu schenken ist, dürften die Proteste in der Redaktion übrigens durchaus kontrovers diskutiert worden sein. Wobei sich leider nicht mehr eruieren hat lassen, woran diese Kontroverse entbrannt ist. Die Coverstory beschäftigt sich jedenfalls eher mit der (damals) neuen Form des Hashtag-Aktivismus. Welcher auch für weitere Punkte in dieser Liste nicht unerheblich gewesen ist.
Unsere Kolumnistin Heide Schmidt
Man glaubt es kaum! Es gab eine Zeit, in der Heide Schmidt, Gründerin des Liberalen Forums und – wie meine Mama immer betont – Jugendfreundin von Jörg Haider, mit der Kolumne »Hingeschaut und zugehört« Teil der The-Gap-Redaktion war. Ob Alltagsanekdoten mit moralischem Schlussapell oder sachlich argumentierte Empörung aufgrund menschenverachtender Aussagen von diversen Politiker*innen: Schmidts Kolumnen wirkten stets unangreifbar und authentisch. Bemerkenswerterweise auch konsequent gegendert. Zwar mit Binnen-I, aber für 2004 trotzdem ein Meilenstein. Wirklich schade, dass sich Heide Schmidt nach nur drei Kolumnen (Ausgaben #55 bis #57) wieder verabschiedete.
Österreichs erste Twitter-Celebrity
Armin Wolf war auch 2012 schon bekanntester Nachrichtensprecher des Landes und erste heimische Twitter-Celebrity. Im The-Gap-Interview (#125) prognostiziert er, wie Social Media die Medienbranche verändern werde. Das liest sich mit der Erkenntnis der zur Gegenwart gewordenen Zukunft blauäugig bis erstaunlich hellsichtig. Dass Twitter ein Bobo-Phänomen sei und die Hochgebildeten, politisch Interessierten versammle, hat heute zumindest noch einen wahren Kern. Nur Wolfs Überzeugung, dass alles, was auf Twitter viral geht, so »großartig« sei, dass es auch für die klassischen Medien Relevanz habe, ist spätestens seit El Hotzo widerlegt.
»Rochade von rechts«
Wenige Monate, nachdem Werner Reisinger in The Gap #127 (Juni/Juli 2012) über das visuelle Erscheinungsbild der autonomen Rechten geschrieben hatte, formierte sich die Identitäre Bewegung Österreich. Dass sich Neonazis und andere rechte Gruppierungen in ihrer neuen Visual Identity von der Symbolik, Agitationsfreude und dem Politaktivismus der Linken inspirieren ließen, wurde von Reisinger fast kassandraartig wahrgenommen. Weil Lederhosen- und Springerstiefelmief nicht mehr in die globalisierte, international vernetzte Welt passten, gab es kurzerhand einen neuen Anstrich für alte Ideologien.
Rise Like a Conchita
Conchita Wursts ESC-Sieg 2014 hat für einen fundamentalen Shift in der Selbstwahrnehmung Österreichs gesorgt. Vor allem in Wien schien es plötzlich notwendig, sich weltoffener zu geben. Dieser Post-Conchita-Euphorie haben wir unter anderem die homosexuellen Ampelpärchen zu verdanken. Das ist aber mehr queere Symbolpolitik und Marketingschmäh statt echter queer-politischer Fortschritt. Queere Menschen sind für konservative Unternehmen wie die Bank Austria, die 2015 mit Conchita Wurst warb, höchstens eine neue Zielgruppe. Ob sich Banken auch heute noch trauen würden, mit Dragqueens zu werben, sei mal so dahingestellt.
The Gap feministisch?
In Heft #166 bekundet The Gap zum ersten Mal das Bemühen »durchgehend auf geschlechtergerechte Sprache zu achten«. Auf derselben Seite ist nur von »Autoren« die Rede. Es müssen noch etwa zehn weitere Ausgaben vergehen, bis aus den komischen Is schließlich der Genderstern wird – der ist dafür beständig bis heute. Dass die Kolumne »Gender Gap« bereits in Ausgabe #157 erschien, mag daher erstaunen. Astrid Exner ging dort als Erste den »großen und kleinen Fragen zu Feminismus« nach – damals spezifisch: »Lach doch mal!« Richtig geraten: The Gaps erster feministischer Rant über »dieses Sich-berechtigt-Fühlen, Frauen darauf hinzuweisen, dass sie gerade nicht so schön anzuschauen sind«. Cheers!
Klimakleber*innen vor Klimakleber*innen
Auch wenn wir im April 2019 noch einige Waldbrände, regenlose Sommermonate und die Klimakleber*innen-Proteste von heute entfernt waren, zeigte sich im Interview mit dem Fridays-for-Future-Gründungsteam schon damals, wie leicht es der Gesellschaft fällt, die eigentliche Thematik solcher Proteste misszuverstehen. Ein paar Monate nach der Formierung der österreichischen Fridays-for-Future-Bewegung drehten sich die medialen Debatten vorwiegend um die verantwortungslose Jugend, die es wagt, Schule zu schwänzen, um für das Klima lärmend durch die Straßen zu ziehen. History repeats itself – in manchmal sehr kurzen Zyklen.
»We Will Not Be Silent«
Wie wird aus einem schockierenden Moment ein langanhaltender Protest? Nach George Floyds Ermorderung im Mai 2020 brachte eine Spontankundgebung am 4. Juni auch in Österreich unerwartet 50.000 Menschen auf die Straße. Im Anschluss formierte sich das Kollektiv Black Movement Austria, das sich seither für die Verbesserung der Lebensrealität von BIPoC-Menschen in Österreich einsetzt. Denn, wie Mugtaba Hamoudah gegenüber The Gap erklärt: »Wir alle sind Rassist*innen, in dem Sinne, dass wir in einer rassistischen Gesellschaft aufwachsen. Damit erhalten wir ein System der Ausbeutung.« Leider heute noch genauso aktuell wie vor drei Jahren.
»Corona Aftermath in der Kulturbranche«
In einer Rückschau im Februar 2021 (The Gap #185) stand »Krise« noch im Singular. Nach dem ersten Pandemiejahr begann die Vorstellung, dass bald wieder Normalität einkehren würde, nur langsam zu bröckeln. Im Kunst- und Kultursektor war jedoch schnell klar, dass es nicht zukunftsfähig ist, einfach da weiterzumachen, wo man aufgehört hat, und dass die präpandemischen Verhältnisse in der Branche einer gründlichen Generalsanierung bedürfen. To be discussed: Solidarität innerhalb der Szene, die Vorteile der Not-Digitalisierung und verstärktes Bewusstsein für lokale Kunstschaffende.
Was macht The Gap, seine Szene und die Popkultur allgemein seit 1997 aus? Für unsere aktuelle Coverstory haben wir je zehn Highlights aus zwanzig Kategorien zusammengestellt. Einen Überblick über alle bisher erschienenen Beiträge findet ihr hier: »200 Highlights aus 200 Ausgaben«. Fotos von unserer Jubiläumsfeier gibt’s an dieser Stelle: »The Gap wird 200 – und feiert«.