50 Jahre läutet Marianne Mendts »Glock’n« nun schon 24 Stunden am Tag. Circa 438.000 Stunden sind das hochgerechnet bis heute. Gefühlt genauso viele Songs sind seither in Österreich geschrieben und produziert worden. Österreichischer Pop hat viele Gesichter und Geschichten – welche davon sind die wichtigsten?
Obwohl wir in einem der kleineren Musikländer der Welt leben, sieht der heimische Pop selbst hier unter der Lupe riesig aus. Da gibt es die Handvoll kommerziell Erfolgreichen und die, die wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Die Nischenphänomene, die GigantInnen, und die, die auf ihren Schultern stehen. Musik und ihren Einfluss auf die popkulturelle Geschichtsschreibung zu quantifizieren, ist schwierig, aber hie und da sehr notwendig, um mitzudefinieren, was von Epochen übrigbleibt. Wie wollen wir österreichischen Pop in all seinen Facetten in Erinnerung halten?
Genau da stellt sich gleich die nächste Frage: Was soll diese Liste überhaupt abbilden? Zunächst mussten wir uns einigen, welches Adjektiv zum Konzept werden soll – die besten, die wichtigsten, die relevantesten? Jede dieser Listen hätte anders ausgesehen. Was vor euch liegt, ist der Versuch, nach Wichtigkeit zu nominieren. Songs, die Bewegungen ausgelöst, andere inspiriert oder sich als einzigartige, singuläre Erscheinung einen Platz in unserer kollektiven Erinnerung erkämpft haben. »Wichtig« sind in unseren Augen also nicht nur Falco und Marianne Mendt, sondern auch die »Krocha Hymne« oder »One To Make Her Happy«. Und weil wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, gilt für den Begriff »österreichische Popmusik« nicht der Pass, sondern der Lebensmittelpunkt der KünstlerInnen.
Social-Distancing-Klausur
Aber wer hat das alles entschieden? Nach ausgiebiger Vorarbeit diverser Beteiligter (ein »Danke« an dieser Stelle an Amira Ben Saoud, Max Zeller und Wolfgang Grob) begab sich unsere Arbeitsgruppe Austropop – bestehend aus Astrid Exner, Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser, Dominik Oswald und Theresa Ziegler – auf eine Social-Distancing-Klausur. Ein Aufenthalt in der Cselley Mühle – einem Ort, der ähnlich iconic ist, wie es die Songs auf dieser Liste sind – war der ursprüngliche Plan, der durch den ersten Corona-bedingten Erlass durchkreuzt wurde. Reiseverkehr war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschränkt, doch Dominik gab im Gruppenchat zu bedenken: »Findet ihr wirklich, dass wir fahren sollten? Irgendwie klingt das alles wie ein Plot zu einem Horrorfilm: Fünf Bekannte fahren aufs Land und eine Pandemie bricht aus … Und am Ende bleibt nur einer übrig.« Und der Beschluss war gefasst, dass wir am kommenden Wochenende insgesamt 16 Stunden videofonieren werden.
Apropos Film: Eigentlich bedarf das Coverfoto dieser Ausgabe keiner weiteren Erklärung – »The Sound Of Music« kämpft mit Falco und Mozart stets um den Titel des international wichtigsten Emblems österreichischer Popkultur. Die Memoiren der Salzburgerin Maria von Trapp wurden zuerst für ein Broadway-Stück und danach für einen starbesetzten Film adaptiert, der damals den einen oder anderen Rekord brach – eine Zeit lang galt er sogar als umsatzstärkster Hollywood-Film aller Zeiten. Julie Andrews’ Tanz auf der Bergwiese wurde Jahrzehnte später zu einem der ersten Internet-Memes. »Look at all the fucks I give«, lautete die häufigste Caption. Somit überbrückt »The Sound Of Music« sinnbildlich für alles, was in Österreich dazwischen passiert ist, die Dekaden des Pop. Falls du beim Lesen einen »fuck« zu geben hast, freuen wir uns über Reaktionen und Diskussionen zur nachfolgenden Liste.
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