Wie lange die Pandemie noch dauern wird, ist nach wie vor unklar. Dass uns davon einiges bleiben wird, relativ sicher. Ein Versuch, die Frage nach dem Was zu beantworten.
These 2: Der Kulturbetrieb wird sich breitenwirksamer von Wirtschaftsparametern entkoppeln (müssen).
Die Diskussion um das Förderwesen im Bereich der Kunst und Kultur ist ebenfalls keine neue. Aber auch sie wurde noch mal zunehmend befeuert, als im zweiten Quartal 2020 plötzlich klar wurde, dass viele geförderte Projekte nicht werden stattfinden können. Das Problem: Die zugesicherten Förderungen werden nur ausbezahlt, wenn die geförderte Veranstaltung auch stattfindet bzw. das Werk zu einem Ende kommt. Das Förderwesen ist damit hauptsächlich am Ergebnis orientiert und nicht an der Arbeit – dem eigentlichen Kern des Kunstschaffens – selbst. Die Stadt Wien hat dabei einigermaßen souverän reagiert und Förderungen trotz nicht stattfindender Events ausbezahlt beziehungsweise grobe Konzeptänderungen zugelassen. Auch der Fördertopf für Arbeitsstipendien wurde erhöht. An den teilweise sehr hochschwelligen Zugangsbedingungen für Förderungen aller Art ändert das allerdings vorerst nichts.
Mit dieser Diskussion geht auch die Debatte um den gesellschaftlichen Wert der Kultur einher. Denn Fördergelder kommen meist aus öffentlichen Töpfen, was bedeutet, dass die Steuerzahler*innen des Landes zahlen und damit auch – zumindest in sinnvoller Art und Weise – ein Mitspracherecht haben sollten. Das gestaltet sich schwierig, denn auf die Frage nach dem Mehrwert der österreichischen Kulturbetriebs wird man unter allen Steuerzahlenden wohl rund acht Millionen verschiedene Antworten bekommen. Ein weiterer Hinweis auf die Dringlichkeit der Einrichtung von partizipativen Formaten und Begegnungsräumen.
Seit dem ersten Lockdowns wurden die Kulturbranche und ihre Zusammenhänge aber auch verstärkt beforscht. Die Erkenntnisse reichen dabei von den massiven Umsätzen, die die Kulturwirtschaft Jahr für Jahr einfährt (oder im Falle von 2020 eben nicht) bis hin zu Modellen wie jenem von Shain Shapiro, der sogenannten »Music Cities« eine größere Krisenresilienz zuschreibt.
Auf lange Sicht sollte das Argument der Wirtschaftlichkeit oder des Umsatzes in Kunst und Kultur allerdings nicht das grundlegendste sein. Denn so geht die Schere zwischen Nischenkünsten und dem kulturellen Mainstream immer weiter auf, was unter anderem der Diversität der Kulturlandschaft schaden würde.
These 3: Das Geschäft mit der Kultur wird insgesamt jünger, lokaler und flexibler.
2021 begann mit einer Welle der Resignation, die ihren Ursprung schon im Vorjahr hatte. Einige Idealist*innen aus dem Kulturbetrieb, die sich bisher unter prekären Verhältnissen von Monatsmiete zu Monatsmiete hangelten, erkannten plötzlich, dass sie von den verschiedenen Covid-19-Fonds nicht aufgefangen werden. Einer der niederschwelligeren davon war der Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF), für andere mussten teilweise Einkommensnachweise oder SVS-Meldungen vorliegen, die in der Praxis des Kulturbetriebs aber längst nicht alle vorweisen können.
Während die Bilanz etwa bei Locations wie Clubs, die die Krise glücklicherweise glimpflicher überstanden als noch im Spätsommer befürchtet, zumindest okay ausfällt, resignierten einige von denen, die diese Locations bislang im wöchentlichen oder monatlichen Rhythmus bespielt hatten. Das betrifft vor allem jene im fortgeschrittenen Alter, die sich aufgrund von Betreuungs- oder sonstigen Unterhaltspflichten ein derartiges Wechselbad der Stimmungen nicht mehr antun konnten oder wollten. Das könnte sich in einer Verjüngung, vor allem im Bereich der freien Szene, niederschlagen. Veranstalten muss man sich wieder leisten können.
Diejenigen, die übrig bleiben, sind allerdings nicht wenige. Sie dürften sich in Zukunft genauer überlegen müssen, wie sie ihre Veranstaltungen bespielen werden. Bookings aus dem Ausland, vor allem aus Nicht-EU-Ländern, wird es vermutlich für längere Zeit nicht oder nur unter hohem Kostenaufwand und Risiko spielen. Diese Entwicklung hätte vermutlich in den kommenden Jahren auch aus Sicht der Nachhaltigkeit, genauer gesagt in der Diskussion um den CO2-Ausstoß der Kulturindustrie, neu verhandelt werden müssen und wurde somit durch die Krise vorgezogen.
Und obwohl das stärkere Einbeziehen lokaler Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen per se nichts Schlechtes ist – selbst wenn es wegen des Mitwirkens höherer Gewalt einen schalen Beigeschmack hat –, wird vor allem in der Konzert- und Clubszene ein steigender Konkurrenzdruck befürchtet. Der Raum in Wien ist (noch) relativ begrenzt beziehungsweise infrastrukturell noch nicht optimal genutzt, aber das Publikum wird trotzdem sehr durstig sein. Das könnte das Veranstalten nach der Pandemie dazu zwingen, flexibler zu werden – in Gestaltung, Line-up, Location und so weiter. Der vergangene Sommer hat mit der intensiven Bespielung des öffentlichen Raums und diverser Donauinselbrücken bereits einige Möglichkeiten zu kreativen Ausweichmanövern offengelegt.
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