Corona-Aftermath in der Kulturbranche: Was uns vom Krisenjahr bleiben wird – und was nicht

Wie lange die Pandemie noch dauern wird, ist nach wie vor unklar. Dass uns davon einiges bleiben wird, relativ sicher. Ein Versuch, die Frage nach dem Was zu beantworten.

These 8: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie, aber Kunst und Kultur stehen niemals still.

Wir erinnern uns an das virale Meme mit den zwei Wellen: eine kleine, surfbare Welle namens »Coronavirus« im Vordergrund, gefolgt von einer riesigen, furchteinflößenden Welle mit der Aufschrift »Klimawandel«. Ah ja, da war ja noch was.

In Lockdown eins gingen Bilder um die Welt, die beschwingt davon berichteten, dass sich die Umwelt gerade von der Strapaze Mensch erholt und sich selbst heilt. Mittlerweile lässt sich beobachten, dass wir unseren CO2-Ausstoß auch dann ganz gut hinkriegen, wenn viele Menschen zu Hause sitzen.

Quasi jedes noch so leichte mediale Aufatmen bezüglich des Virus wurde flankiert von der Erinnerung, dass das nicht die letzte derartige Pandemie gewesen sein wird. Der Prophezeihung erschwerende Begleitung: Die zeitlichen Abstände zwischen globalen Pandemien, die direkt aus der Ausbeutung von Mensch und Natur resultieren, sollen tendenziell kürzer werden.

Nach der Pandemie könnte gleichzeitig auch vor der Pandemie sein. Beruhigend liest sich das nicht, aber zu spät soll es auch noch nicht sein. Ob wir als Gesamtheit nach erlebter Pandemie alarmierter und bereit zu mehr Handlung sind oder ob der teils vermutete Post-Corona-Hedonismus dort die Entwicklungen hemmen wird, wo sie dringend notwendig sind, wird sich weisen.

Definiert man den Begriff der Kultur allerdings als allumfassende Gesamtheit des menschlichen Schaffens, bedeutet das auch, dass Paradigmenwechsel nach wie vor möglich sind, was die Handlungsmöglichkeit nicht nur in die Hände einer Branche oder Industrie legt, sondern sie zur verbindenden Verantwortung macht. Ungefähr so wie das Bierteilen mit der unbekannten Person nebenan in der aufgeheizten Crowd zukünftiger Kulturerlebnisse.

Diese sehr ausgedehnte Coverstory entstand unter der Mitarbeit von Katharina Brunner, Manuel Fronhofer, Susanne Gottlieb, Sebas­tian Gruber und Gabriel Roland.

Corona-Aftermath © Marlene Mautner

Stimmen zu den Nachwirkungen der Corona-Pandemie

Im Zuge der Recherchen für diese Coverstory haben wir mit rund 40 Personen aus Kunst, Kultur und Dunstkreis gesprochen. Aus diesen Gesprächen haben wir die obigen Thesen abgeleitet.

Die Gespräche werden im Verlauf den nächsten Wochen nach und nach online gestellt und mit den nachfolgenden Zitaten verlinkt.

Lilli Hollein (Vienna Design Week)
»Nach der Wirtschaftskrise 2008 hat es mindestens drei Jahre gebraucht, bis sich für Kulturbetriebe, die einen relevanten Teil ihres Budgets aus Sponsoring und privaten Mitteln bewerkstelligen, wieder halbwegs eine Normalität eingestellt hat. Ich glaube, das wird diesmal nicht anders sein.«

Christine Dollhofer (Crossing Europe Filmfestival)
»Um uns nicht gegenseitig im Weg zu stehen, haben wir uns für die Zeit nach der Pandemie mit anderen Filmfestivals abgesprochen. Wir werden uns auch proaktiv gegenseitig bewerben und unterstützen.«

Marie Kreutzer (Regisseurin)
»Für das Kino wird es schwer, sich von dieser Zeit zu erholen, da es schon lange geschwächt war. Ich glaube aber an das Kino als magischen Ort des analogen Miteinanders und hoffe, dass die Zeit der Entbehrung das vielen wieder in Erinnerung ruft.«

Michael Stejskal (Filmladen)
»Da die Filmmärkte frühestens im Sommer in Schwung kommen und viele Produktionen abgebrochen oder verschoben wurden, wird uns ein Wechselspiel zwischen Filmmangel und Filmüberfluss noch längere Zeit begleiten.«

Filip Potocki (Arcadia Live)
»Die Emotionen, die bei einem guten Konzert aufkommen, das Gemeinschaftsgefühl und die Interaktion von Künstler*innen und Publikum lassen sich unseres Erachtens nur schwer digitalisieren.«

Martin Borovnik (Viper Room)
»Bedroht sind hauptsächlich die nicht-geförderten Locations. Dabei geht es auch um die Zeit nach der Pandemie, wo dann gestundete Zahlungen fällig werden. Eine Hoffnung ist, dass zukünftig mit der Kulturförderung anders umgegangen wird.«

Andreas Jantsch (Las Vegas Records)
»Ein Riesenproblem wird der Rückstau an Terminen und Festivals sein: Wenn jetzt jedes Festival das Programm spielt, dass für 2020 geplant war, dann bedeutet das für junge Acts, dass sie erst mal warten müssen. Im schlimmsten Fall zwei Jahre.«

Michaela Englert (Admiral Kino)
»In der Arthouse-Filmbranche gibt es einen Stau an Filmen, der aber durch die Aufweichung der Kinosperrfristen und die rasche Auswertung der Filme über Online-Angebote schnell abgebaut werden wird.«

Veronica Kaup-Hasler (Wiener Kulturstadträtin)
»Die Pandemie hat klar gezeigt, dass der öffentlichen Hand hier eine noch viel größere Verantwortung zukommt. Es ist eindeutig, dass der Neoliberalismus, der Kapitalismus, wie wir ihn zuvor als Selbstverständlichkeit wahrgenommen haben, an ein Ende gekommen ist, wenn es um öffentliches Gut geht.«
Interview in voller Länge nachlesen

Wiktoria Pelzer (Programmleitung Stadtkino im Künstlerhaus / Stadt­kino Filmverleih)
»Vorher starteten vielleicht zehn Filme an einem Donnerstag oder einem Freitag. Das werden nach der Pandemie bis zu doppelt so viele sein. Was nicht unbedingt der Aufmerksamkeitsökonomie gerecht wird. Leute gehen, wenn man optimistisch ist, vielleicht zweimal im Monat ins Kino.«

Gernot Kremser (Posthof Linz)
»Ich bin der Meinung, dass die Popkultur, dieses emotionale Grundnahrungsmittel, einfach so stark ist, dass wir da sein werden und dass das Publikum kommen wird und dass wir 2022 im Laufe des Jahres wieder sehr, sehr normal spielen werden.«

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