Das Ende des Thigh Gaps

Die US-Vogue und der nächste Pirelli-Kalender zeigen Plus-Size-Models in Unterwäsche: Ein Kampf für neues Körperbewusstsein, brillantes Marketing oder eine längst überflüssige Diskussion? Wir haben darüber mit österreichischen Modeprofis gesprochen.

Ist Plus-Size dennoch ein wenig beachteter Nischen-Markt mit viel Potential? Der Modedesigner Mark Baigent meint dazu: "Man kann sehr viel machen, für größere Nummern. Es kommt halt viel auf den Schnitt an. Der Plus-Size-Markt ist sicher einer, mit dem man den meisten Gewinn erzielen kann und sicherlich auch schon tut. Die KundInnen tragen ja nicht hauptsächlich Kleidergröße 32!"

Well worn, Stella.

Auch wenn Marketing durchaus eine große Rolle spielt: Fakt ist, dass die Menschen weder das eine noch das andere Extrem wollen – und sie halten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Das zeigt auch der Shitstorm gegen Designerin Stella McCartney. Sie postete das Bild eines extrem dünnen Models mit den Worten "worn well!" und erntete dafür einen Shitstorm der Extraklasse. Dabei hielten alle von uns befragten Expertinnen und Expertern nicht wirklich viel von "zu dünn". Vera Kravanja von Woman hatte sogar erzählt, dass sie in der Redaktion Models mehr als einmal via Photoshop ein paar zusätzliche Kilos draufschummeln musste.

Das andere Extrem

Im Internet wird nun unter anderem diskutiert, ob man nun von einer Stigmatisierung zur nächsten wandert. Einmal ist es shocking, wenn Models Hüften und Arsch , andrerseits sind sie nicht ‚frau‘ genug, wenn die eigenen Kurven nicht maximal bootylicious sind. Wie sich das Model von Stella McCartney gefühlt haben muss, als "ekelhaft" betitelt zu werden, wollen wir gar nicht wissen.

The beauty and the BWL

Vielleicht ist es einfach an der Zeit zu verstehen, dass sich auch die Modewelt verhält, wie jede andere Marke. Das sind Unternehmen, die ebenso Zielgruppen definieren, einen Marketing-Mix austüfteln, Trends analysieren und mit PR-Agenturen zusammenarbeiten. Das ist Textbook-BWL, bloß in hübscher Verpackung. Ein gigantischer Apparat, bei welchem der Faktor "Schönheit" nur das icing auf dem veganen low-carb cake ist, eine Verkaufsstrategie. Und bekanntlich beeinflusst die Nachfrage ja das Angebot.

Solche Diskussionen um die richtige Modelgröße werden nun besonders heftig geführt, weil es natürlich unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fällt, wenn viele Magazine nur sehr schlanke, große Models abbilden wollen. In der Masse bestimmen solche Körperbilder aber wieder das Bild, das sich eine Gesellschaft von sich selbst macht. Wenn dann jemand laut genug schreit, wie krank das macht, hat man einen handfesten Interessenskonflikt. Manche Medien verzichten dann freiwillig drauf und wollen etwas verändern, andere sagen der Markt ist halt so, wir sind so. Zumindest aber bewegt sich was. Das eine Dogma wie Models aussehen sollen und abgebildet werden, bricht auf und wird von verschiedenen Seiten attackiert – auch wenn wenige Leute aus der Szene derzeit noch finden, dass Plus-Size-Models die Funktionsweise der Modeindustrie verändert. Aber irgendwo muss es ja anfangen, dass sich etwas bewegt.

Sinah Edhofer liebt Mode, die Vogue und dünne Menschen, aber Steaks und Bier fast ein bisschen mehr.

Bild(er) © © Pirelli Kalender 2015, Steven Meisel
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