Diagonale-Tagebuch 2019, Teil 2: Persönliche Einblicke und gesellschaftliche Auswirkungen

Am dritten und vierten Tag der diesjährigen Diagonale gab es persönliche filmische Einblicke, keinen Film über Thomas Bernhard, die Aneignung der Natur durch den Menschen sowie einen depressiven Millionär zu sehen.

Freitag, 22. März

Ähnlich wie »Szenen meiner Ehe« bringt auch »Una Primavera« (Regie: Valentina Primavera) persönliche Einblicke auf die große Leinwand. Die aus Italien stammende Valentina, jüngste Tochter einer großen Familie, wohnt eigentlich schon seit Jahren in Berlin. Als ihre Mutter sich vor einigen Jahren von ihrem Mann, Valentinas Vater, trennen will und sich eine Auszeit bei Valentina in Berlin nimmt, beginnt die Tochter die Geschichte ihrer Familie (bzw. Fragmente daraus, wie die Regisseurin im anschließenden Gespräch betont) mitzufilmen. Auch hier ist die Kamera den ProtagonistInnen sehr nahe, auch hier wird eine gewisse an private Videos erinnernde Ästhetik ins Kino gebracht. »Una Primavera« (zu Deutsch: ein Frühling) erzählt die Geschichte von Valentinas Mutter Fiorella, die mit 60 ihr Leben neu ordnen will. Sie möchte einen neuen Weg finden und vor allem möchte sie weg von ihrem Mann, der ihr gegenüber schon lange gewalttätig ist. Man sieht, Fiorellas innere Kämpfe und ebenso die Reaktion ihrer Familie, die Fiorella eher missgünstig gegenübersteht. In »Una Primavera« wollte die Regisseurin, wie sie im Gespräch betont, eine persönliche, aber keine private Geschichte erzählen und vor allem wollte sie die auf die Figuren wirkenden gesellschaftlichen Kräfte – Stichwort Patriarchat – aufzeigen.

Eine bereits im Kino ausgestrahlte Dokumentation, nämlich »Der Bauer zu Nathal« wurde ebenso nochmals auf der Diagonale gezeigt. Die beiden Journalisten David Baldinger und Matthias Greuling gehen in diesem ausschließlich durch Crowdfunding finanzierten Projekt (das sie neben ihren eigentlichen journalistischen Jobs betrieben) der Frage nach, wie der oberösterreichische Ort Ohlsdorf, in dem Thomas Bernhard einen Bauernhof besaß, mit dem Erbe des Schriftstellers umgeht. Es ist, dem Untertitel des Films folgend, demnach kein Film über Thomas Bernhard geworden, aber dennoch ein – wie auch nach dem Screening angemerkt wurde, zutiefst österreichischer. »Der Bauer zu Nathal« rückt dabei einen Totengräber in den Fokus, aber es kommen auch viele andere Ohlsdorfer zu Wort. Auch in »Der Bauer zu Nathal« kommt eine persönliche Betroffenheit der Regisseure (einer der beiden ist großer Bernhard-Fan, der andere stammt selbst aus Ohlsdorf) zutage, die genutzte Technik und manche dramaturgischen Griffe mögen zwar nicht zu 100 % perfekt sein, der Film bringt aber dennoch neue Einblicke und durchaus auch humorvolle Aussagen.

Das Team von »Kaviar« © Barbara Fohringer

Am Abend gab es unter anderem noch »Kaviar« von Elena Tikhonova zu sehen. In ihrem Spielfilmdebüt bringt die gebürtige Russin, die seit 19 Jahren in Wien lebt, russischen und österreichischen Humor sowie einen starken weiblichen Cast (Margarita Breitkreiz, Darya Nosik, Sabrina Reiter) zusammen. Ein Film, der vor allem eines zeigt: Diverstität (vor und hinter der Kamera) zahlt sich aus.

Die Diagonale 2019 findet noch bis 24. März in Graz statt. Teil 1 unseres Diagonale-Tagebuchs findet ihr hier.

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