Die 20 interessantesten FotografInnen Österreichs

Dass sich etwas tut in der FotografInnen-Szene Österreichs, ist auch uns nicht verborgen geblieben. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, stellen wir uns dem ambitionierten Vorhaben, 20 hiesige fotografische Talente zu porträtieren und sie zu fragen, was Fotografie für sie bedeutet – und mehr.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.
© EVA ZAR

Wer sind die spannendsten FotografInnen Österreichs, haben wir uns gefragt. Einige Listen, die in der Redaktion kursierten, gefüllt mit Namen und Website-Links und mehr als 200 Kommentaren auf Facebook aus der Community mit Vorschlägen, wer es denn nun in die Liste »schaffen« soll, haben uns in den letzten Wochen, ja Monaten, beschäftigt. Wir sind zufrieden, eine Auswahl getroffen zu haben, die verschiedene Ästhetiken und Ansätze, sich ganz am Anfang ihrer Karriere befindliche und bereits etabliertere FotografInnen nebeneinander präsentiert und nicht zuletzt auch unserem Geschmack entspricht. Da sind sicherlich einige wichtige Leute nicht dabei – oft, weil sie ohnehin schon so bekannt sind, dass man als Medium den Fokus auch auf noch unbekanntere Talente lenken möchte, andere hatten wir vielleicht gar nicht auf dem Schirm – darf man auch zugeben. Und dass es weitaus mehr als 20 interessante FotografInnen gibt, muss man wohl nicht sagen. Wir hoffen trotzdem, dass unsere Auswahl Einblick in eine fruchtbare und diverse, junge Fotografieszene gibt, die sich wirklich sehen lassen kann, und dass sie Lust auf mehr macht.

(Die Zahlen vor den Namen sind bitte nicht als Ranking zu verstehen)

1.MARIO KIESENHOFER

INDOO – MAGNUM SAUNA, BUDAPEST (2015) © MARIO KIESENHOFER
INDOOR – MAGNUM SAUNA, BUDAPEST (2015) © MARIO KIESENHOFER

Am ehesten könnte man Mario Kiesenhofer ob seiner Tätigkeiten als bildender Künstler, Fotograf, Grafiker als „kreativen Grenzgänger“ bezeichnen. Bei seinen Fotografien geht es häufig um das Zusammenspiel zwischen Sexualität und Ort, ums Verstecken und Entdecken. Dabei ist Mario Kiesenhofer in seiner Bildsprache so implizit wie die Codes, die in den von ihm fotografierten Cruising Areas und Gay Bars zur Anwendung kommen. Zu sehen sind seine Arbeiten derzeit im Wien Museum im Rahmen der Ausstellung „Sex in Wien„.

mariokiesenhofer.com

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Ein wiederkehrendes Element in meinen Arbeiten ist die Auseinandersetzung mit der sexuellen Topografie urbaner Räume und Landschaften. In meiner aktuellen Serie „Indoor“ gebe ich gefilterte Einblicke in internationale Gay-Clubs und Bars. Ich zeige also Raumkonzepte, deren Zugang durch Dress Codes, das Geschlecht oder Körpernormen reglementiert ist. Es sind vor allem auch sensible Orte, an denen sexuelle Fantasien und Fetische einen geschützten Raum finden. Diese Sensibilität greife ich in meinem medialen und materiellen Transfer auf und zeige die Fotografien gerahmt, hinter grau getöntem Rauchglas. Das verdunkelt die Bildinhalte, gibt den Raummotiven einen Teil ihrer Intimität zurück und ermöglicht den RezipientInnen eine Reflektion über diese sonst sehr beschränkt zugänglichen Institutionen.

Was ist deine früheste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Schwarzweiß und sehr körnig – ich 1984 auf dem Ultraschallbild.

Abbilden oder einbilden?

Top oder Bottom?

Also ich bin für Versatile.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Ich zweifle nie, ich bin immer sicher. 

Wen würdest du als einen/eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

In den letzten Jahren habe ich viele spannende künstlerische Positionen kennengelernt. Viele davon im Kontext meines Kunststudiums an der Akademie. Aber vor allem auch als Mitgründer und Art Director von Streulicht, einer Publikationsserie zu Fotografie und artverwandten Künsten, sowie bei zahlreichen Mode- und Kunstprojekten, die ich gemeinsam mit dem Sight Store realisiert habe.

Auf jeden Fall spannend ist Sophia Hatwagner. Ich mag ihre künstlerische Herangehensweise und wie sie strukturelle und kompositionelle Prinzipien der fotografischen Bildproduktion hinterfragt. Wir arbeiten gerne zusammen und im November haben wir auch gemeinsam im Rahmen des Monats der Fotografie (im Kunstraum Perlimpinpin) ausgestellt. Dabei haben wir das Verhältnis von Fotografie als Repräsentationsform von Raum zum installativen Charakter von Displays im Ausstellungsraum hinterfragt.

Die Arbeiten von Philipp Fleischmann finde ich auch besonders spannend. Er leitet die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film. Seine aktuellen Filmarbeiten nimmt er mit selbst entworfenen Objekten auf, die dem Prinzip der camera obscura folgen. Auch hier interessiert mich sein Zugang zu Räumen und dessen Abbildern.

2. KURT PRINZ


„Ich werde gerne hauptsächlich als Abbruch-Fotograf gesehen“, sagt Kurt Prinz und findet das ein bisschen schade. Klar: Seine großartigen Bildbände „Sezierte Architektur“ und „Die letzten Tage des Hanappi-Stadions“ sind im weitesten Sinne Ruin Porn. Seine Foto-Reportagen für namhafte Medien, seine Features in Rokko’s Adventures, sowie die Kollaboration Stirn Prumzer (Sturmer/Prinz) nicht. Einen echten Prinz erkennt man an der Tiefe – verschiedene Ebenen, die erst zusammen das große Ganze ergeben.

kurtprinz.at

AUSZUG AUS DER SERIE THE LEFTOVERS IN ZUSAMMENARBEIT MIT PIGEON DISCO (2014) © KURT PRINZ
AUSZUG AUS DER SERIE THE LEFTOVERS IN ZUSAMMENARBEIT MIT PIGEON DISCO (2014) © KURT PRINZ

»Fotografie ist für mich eine non-verbale Sprache. Unser ständiger Umgang mit ihr und die fortschreitende Demokratisierung des Mediums macht sie einerseits für immer mehr Menschen noch leichter erfahrbar, der Umgang mit ihr wird aber ständig komplexer.«

 

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Ich sehe eigentlich ständig Dinge oder Situationen, bei denen ich mir denke: „Das wär jetzt vielleicht ein gutes Bild“– meistens bleibt das Bild dann aber nur im Kopf, weil ich  meine Kamera nicht dabei hab, oder Bedenken habe jetzt wirklich abzudrücken. Ich glaube dieses Gespür braucht jedeR gute FotografIN.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Ich habe mit circa 10 Jahren meine ersten Selbstauslöserfotos im Urlaub mit den Großeltern gemacht. Das ist das erste mal, dass ich mich erinnern kann, bewusst geframed zu haben. Sonst habe ich bis 19 eigentlich nichts mit Fotografie zu tun gehabt.

Abbilden oder einbilden?

Hm, eigentlich finde ich das Nachdenken über Bilder meist cooler, als dann oft die tatsächliche Umsetzung. Im Kopf kann alles immer so perfekt sein und man kann diese störende Realität viel besser ausblenden, haha. 

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Da ich so viel verschiedenes Zeug mache, habe ich öfter Zweifel, ob ich in meiner Bildsprache noch stringent bin. Und ob ich genug getan habe, um ein Bild perfekt zu machen. Sicher bin ich mir nur manchmal, wenn ich mir schon beim Fotografieren denke: „Hui, da passt jetzt gerade ganz viel.“

Wen würdest du als einen/ eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Die Arbeiten von Klaus Pichler finde ich toll. Alle seine Projekte sind von Anfang bis Ende durchdacht und mit extremer Hingabe umgesetzt. Man merkt , dass extrem viel Arbeit und Liebe zum Detail drinsteckt. Robert Altmoser habe ich erst vor kurzem „entdeckt“, beziehungsweise kennengelernt. Seine analogen Schwarz-Weiß-Prints kommen so perfekt daher, dass scheinbar banale Motive magisch erstrahlen.

3. STEFANIE MOSHAMMER


Auf der Shortlist des Unseen Dummy Book Award, als FOAM Talent 2016 und auf dem Zeit Magazin-Cover: Moshammers Strecke „Land of Black Milk“ über Rio ist eine Explosion aller Töne, die die Stadt hergibt. Dabei experimentiert die gebürtige Wienerin, die gerade als eine der gefragtesten Jungfotografinnen gelten darf, auch gerne in der Nachbearbeitung mit verschiedenen Farben, wie in ihrer Serie „I Can Be Her“. Im Zentrum steht bei Moshammer, die im Oktober in der Galerie OstLicht ausstellt hat, oft die Frau – immer wieder ein wenig anders interpretiert, immer meinungsstark.

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

.Ich sehe, dass alles und jeder eine Geschichte besitzt

Was ist deine früheste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Ein Punk-Konzert in der Arena in Wien und meine erste analoge Kamera in der Tasche.

Abbilden oder einbilden?

Beides.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Fotografie ist für mich ein dauernder Prozess. Ich will mich selbst herausfordern und darin keinen Erwartungen nachgehen. Für mich ist es teilweise auch ein Experiment und Zweifel sind ein Teil davon. Im Grunde geht es in Fotografie darum eine Sprache zu finden, an der man wachsen kann.

Wen würdest du als einen/eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Thomas Albdorf. Seine Arbeit geht über das Medium der Fotografie hinaus. Ich mag seine Denkansätze und wie er diese in eine visuelle Form bringt.

 stefaniemoshammer.com

CELLMATE, AUS DER SERIE "VEGAS AND SHE" (2014)
CELLMATE, AUS DER SERIE „VEGAS AND SHE“ (2014) © STEFANIE MOSHAMMER

»Fotografie ist wie ein Wort in einem Satz. Man kann die schönste Kalligrafie besitzen, aber wenn der Satz nicht interessant ist, hat das Wort keine Bedeutung.«

4. Alex Dietrich

OHNE TITEL (2016) © ALEX DIETRICH
OHNE TITEL (2016) © ALEX DIETRICH

Zumindest einen Tag lang hätte man gerne die Wahrnehmung eines Alex Dietrich. Man stelle ihn sich so vor: Mit einer analogen Kamera durch die Straßen schlendernd und die Schönheit des Alltags porträtierend. Auch wenn seine Fotos fast ausschließend schwarz-weiß sind, zeigen die Motive darauf alle möglichen Zwischentöne der Gesellschaft. Vom Hund am Lenkrad zu betagten Damen auf einer Bank – Alex Dietrich erspürt den richtigen Moment, das Komische im Gewohnten einzufangen.

alexdietrich.at

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Die meisten Leute sehen sich einfach nicht um.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Vor 15 Jahren habe ich mir aus einem Impuls heraus eine Digitalkamera gekauft und angefangen Hardcore- und Punk-Shows zu fotografieren.

Abbilden oder einbilden?

Gerne auch beides.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

​An allem zweifeln, bei nichts sicher sein.​

Wen würdest du als einen/ eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Simon Brugner.

5. Mafalda Rakoš

AUS „BODY AND DEVICE“ (2014) © MAFALDA RAKOS

Während andere mit 15 nur irgendwie das Schuljahr überstehen wollen, eröffnete Mafalda Rakoš ihre erste Ausstellung in der Galerie Kandinsky. Zu sehen waren Bilder von Indigenen der karibischen Insel Dominica. Schon damals manifestierte sich der dokumentarische Stil der jungen Fotografin. Auch sechs Jahre und zwei Bildbände später traut sich die Fotografie der Kultur- und Sozialanthropologiestudentin an heikle Themen. Ob Nahostkonflikt oder Essstörung – mit reportagigem Ansatz klärt Mafalda Rakoš auf, ohne belehrend zu sein.

Frei nach dem Spiel „Ich seh, ich seh“: Was siehst, du, was andere nicht sehen?

Gute Frage. Ich glaube in vielen meiner Projekte war es wichtig, lange und viel Zeit mit den ProtagonistInnen zu verbringen und so nach und nach eine Nähe aufzubauen, die jemand anders so vielleicht nicht erlebt hätte. Das Fotografieren passiert dann ganz automatisch. Vielleicht geht es – wenn man es so betrachtet – in meinen Arbeiten eher um die Perspektive, um die Beziehung zu den Leuten und den jeweiligen Kontext und weniger um das, was ich im Endeffekt tatsächlich fotografiert habe.

Was ist deine frühste Erinnerung, die du mit dem Thema Fotografie verbindest?

Fotoshootings mit unseren Meerschweinchen. Da war ich vielleicht 9 Jahre alt oder so. Ich habe mir die damalige Kamera meiner Mama ausgeborgt und versucht, die Tiere möglichst gut in Szene zu setzen. War ziemlich tricky.

Abbilden oder einbilden?

Abbilden, aber offen bleiben. Viel Interpretationsspielraum lassen.

Worüber zweifelst du bei deiner Fotografie am meisten und wobei bist du dir absolut sicher?

Jemand hat mal gesagt, Fotografieren ist ein bisschen wie Autofahren: Irgendwann bist du so geübt darin, dass du nicht mehr viel nachdenkst und die Kamera einfach benutzt, als wäre sie ein Teil von dir. Damals hat das viel Sinn gemacht, momentan kommt mir das aber irgendwie viel zu einfach vor. Es gibt so viele Möglichkeiten eine Geschichte zu erzählen, aber welche ist die beste, geeignetste? Vor allem seit ich begonnen habe mit unterschiedlichen Kameras zu arbeiten, oft auch gleichzeitig, bin ich immer öfter damit konfrontiert, dass ich mich einfach für eine bestimmte Bildsprache entscheiden muss – mach ich’s analog oder digital? Statisch oder dynamisch? Und so weiter. Da fühle ich mich oft noch ziemlich unsicher. Aber das wird schon. AmsSichersten fühle ich mich glaube ich, wenn ich in eine neue Situation geworfen bin und merke, es ist wirklich fast egal wo, und wer, und was, sobald ich anfange mich aufs Fotografieren zu konzentrieren, fühle ich mich automatisch wohl, und die Menschen um mich herum meistens genauso. Jedenfalls habe ich das Gefühl sie tun es. Alles fühlt sich dann ganz natürlich an, das macht immer wieder Spaß.

Wen würdest du als einen/ eine der 20 interessantesten jungen FotografInnen Österreichs auswählen und warum?

Auch keine leichte Frage. Es gibt viele Menschen um mich herum, die sich mit Fotografie beschäftigen, und es ist sehr spannend sie dabei zu beobachten – gerade auf der Graphischen war das ziemlich schön, die gemeinsame Auseinandersetzung und Diskussionen. In Österreich gibt es zweifellos viele Leute, die super Arbeit machen. Clemens Fantur zum Beispiel hat gerade ein Buch herausgebracht, das mir persönlich sehr, sehr gut gefallen hat. In „Aurora Cordial“ spielt er mit dem Konzept von „Paradies“ auf eine sehr vielschichtige und clevere, assoziative Art – ohne dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren, oder kitschig zu werden. Und es ist superschön fotografiert.

mafaldarakos.com

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