Wieder einmal hat Hans Platzgumer eine Schnapsidee konsequent weiterverfolgt und mit seiner Band Convertible ein stilistisch unerwartetes Pop-Kleinod geschaffen. Der Musiker, der mittlerweile von Theatermusik und seiner erfolgreichen Schriftstellerei lebt, über seine verschrobene norwegische Kunstfigur Colin Holst, den Schmäh von Phil Spector und die Mühsal, als Band, die keine Konzerte mehr spielt, ein Publikum zu erreichen.
Wie geht es Colin Holst?
Gut, glaub ich, sehr gut. Der macht halt in Norwegen in Kongsberg sein Zeug. Er ist ein leicht autistischer, zurückgezogener Typ und macht unbeirrt sein Ding im Studio. So weit ich ihn kenne halt. Aber ich hab ja keinen Roman über Colin geschrieben, auch wenn ich kurzfristig überlegt hatte, das als literarische Geschichte auszuarbeiten. So aber bleibt es bei einer vagen Vorstellung von diesem Typen, der in Kongsberg abseits des restlichen Treibens in seinem Holst Gate Studio Musik macht. Er ist eine konstante Figur, die mich sehr inspiriert hat. Es kann sein, dass ich ihn nach diesem Album in seinem Studio in Holst Gate zurücklasse, vielleicht suche ich ihn aber auch noch mal auf.
Diese Kunstfigur Colin Holst hat sich für mich irgendwie derart verkörpert, dass sich das Album wie von selbst gemacht hat. Ganz so, als hätte das nicht ich, sondern wirklich eine Figur in Norwegen gemacht. Ich hab dazu auch eine große Distanz. Natürlich bin ich jetzt kein totaler Psychopath, der damit gar nichts zu tun hat. Aber es ist alles ein bisschen anders als bei früheren Alben. Und es tat mir gut, dass ich als er andere Sachen machen kann: Bläserarrangements und lange, hypnotische, repetitive Teile. So was hab ich mit Convertible davor ja noch nie gemacht. Auch die Produktionsweise war ein eigener Stil, auf den ich als Hans Platzgumer nie gekommen wäre. Vielleicht hat Colin Holst aber auch auf mich gewartet und ist einer dieser Typen wie ich ein paar im Freundeskreis habe, die ständig im Homestudio herumtüfteln, immer an Entwürfen werken, die aber nie etwas fertigmachen. Vielleicht bin ich als Besucher also auch der Typ, den er gebraucht hat.
Und wieso Norwegen?
Keine Ahnung, das hat sich irgendwie ergeben und war nicht geplant. Chris Laine, mein Bassist, ist Amerikaner und hat ein Haus und ein Studio, das ganz abgelegen in Vorarlberg in der Nähe von Dornbirn liegt, in Bildstein. Dort jammen wir oft, reden und dort ist die ganze Holst-Gate-Sache wie aus einer Schnapsidee heraus entstanden. Ich dachte anfangs eher an College-Sounds einer Kleinstadt in Ohio, wir fanden das aber nicht inspirierend. Chris meinte dann, das wäre eindeutig ein europäischer Sound. Und Gate meint ja nicht das Tor, sondern Gate heißt auf Norwegisch Straße.
Ich muss gestehen, dass ich beim Hören von »Holst Gate« dauernd darauf warte, dass Paul McCartney ins Duett einstimmt.
(lacht) Da müsste man Paul fragen, ob er noch einmal Lust hat. Ich bin ja ein großer John-Lennon-Fan, insofern stimmt das: Dann wäre ich ja Lennon und er Paul McCartney. Und es geht auf dem Album viel um Songwriting, darum Sachen auf den Punkt zu bringen. Da kommt man an den Beatles und an John Lennon eh nicht vorbei. Insofern trifft es das. Meine Referenz waren aber eher die Produktionen von Phil Spector. Als das erste Lied, »Final Call«, noch ganz roh war, gab es gute Akkorde, gute Melodien, es war aber noch ein bissl beliebig – da meinte Chris, ich solle ein paar Moll-Akkorde gegen Dur-Akkorde austauschen und den Beat wie ein Metronom und das Tempo stur, unpathetisch und hart durchlaufen lassen. So hat Phil Spector »Mother« von John Lennon in den 70ern produziert.
Davon lebt auch unser Album jetzt: Klavier-Songwriting mit einem effizienten, klaren Schlagzeug und dazu kommen nordische Aspekte und Bläser, die Weite evozieren. Es ist sehr fett geworden. E-Gitarren waren gar nicht geplant, damit hatte ich eigentlich schon abgeschlossen, das hat sich dann aber als zusätzliche Schicht und als Wall of Sound fast von selbst hinzugefügt. Auch für Hannah MacKenna, mit der ich fast alle Texte gemeinsam geschrieben habe, hat sich das in Boston sitzend gut ergeben. Sie ist zwar Amerikanerin, hat aber schwedische Vorfahren und kommt familiär aus dem skandinavischen Raum. Die Idee hat sie sofort kapiert und mitgetragen, von den ersten Akkordfolgen und Skizzen an.
Hat dein Erfolg als Autor und das Bücherschreiben dein Songwriting eigentlich verändert?
Das sind komplett andere Welten. Bücher kann ich nur auf Deutsch schreiben, sicher nicht auf Englisch. Das ist wieder eine andere Person in mir. Textlich habe ich zu großen Teilen mit Hannah geschrieben, manche Songs sind ja textlich auch nur von ihr. Nein, Songwriting hat mit dem Bücherschreiben gar nichts zu tun. Songwriting ginge, wenn, dann eher in Richtung Gedichte und Lyrik, aber das kann ich sowieso überhaupt nicht. Das wäre ein komplett anderer Ansatz. Nichtsdestotrotz waren uns die Texte schon wichtig. Wir finden sie auch sehr gut, deshalb haben wir sie auch im Booklet abgedruckt – weil wir wollten, dass Leute sie verstehen. Es war ein sehr genauer Prozess, bei dem wir auf jedes Wort geachtet haben.
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