Muttersprachenpop – die wichtigsten Veröffentlichungen im Januar 2018

Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.

© Andreas Hornoff

Bernd Begemann & Kai Dorenkamp – »Die Stadt und das Mädchen«

© Andreas Hornoff

Sexy lasziv am Klavier lehnend, in güldnem Gewand den Crooner gebend: His Royal Berndness konnte man sich immer schon in den gehobenen Etablissements als Entertainer für die vermeintliche Oberschicht vorstellen. Dass er sich nach seinem Doppel-Album »Eine kurze Liste mit Forderungen« von Ende 2015 nun gemeinsam mit Kai Doremkamp ein Piano-Gesang-Album gönnt, fügt erdachte und eingangs erwähnte Vorstellungen nun zusammen. Die Songs sind altbekannt, ausgewählt aus 30 Jahren Schaffen mit Die Befreiung, dennoch eint die Neuarrangierten ein gemeinsames Konzept: Eine junge Frau bricht aus der Tristesse auf (»Weg aus dem Tal und nach München«), bleibt aber dennoch überall fremd und allein (»Die Nacht vor der Abtreibung«). Paradox: Der sonst so großspurige Pop-Ästhet Begemann schafft es gerade durch die Reduktion auf ein Instrument das so laute Konstrukt Großstadt und die damit einhergehende klangliche und persönliche Desillusionierung zu dekonstruieren, dass das Erlebte der Protagonistin besonders erlebbar macht.

»Die Stadt und das Mädchen« von Bernd Begemann & Kai Doremkamp erscheint am 19. Januar 2018 via Popup-Records .bereits am 3. November 2017 via Buback.

 

Feine Sahne Fischfilet – »Sturm & Dreck«

© Andreas Hornoff

Seit dem Vorgänger »Bleiben oder gehen«, der FSF schlussendlich doch in der obersten Riege des deutschen Poppunks festgenagelt hat, waren die sechs aus Meck-Pomm vor allem im Dienst der guten Sache unterwegs und gaben dem Genre die linkspolitischen Origins zurück. Mit der Kampagne »Noch nicht komplett im Arsch. Zusammenhalten gegen Rechtsruck« mit Konzerten – wo auch, naja, muss wohl, Campino dabei war – im ganzen Bundesland und zugehöriger Kritik des peinlichen medialen Establishments gab’s auch einen Preis für Popkultur. Und weil man Politik in Musik gerade bei FSF nicht trennen kann und darf, ist auch das neue Album Ausdruck der kompletten Beschissenheit der Lage. Haltung, Engagement und Menschlichkeit stehen textlich im Fokus (»Wir sind zurück in unseren Stadt / und scheißen vor eure Burschenschaft«), musikalisch ist das handelsüblicher Poppunk, mal schneller, mal gemächlicher, das »Pop« mal deutlicher, mal blasser akzentuiert, aber immer für das Live-Spielen gedacht.

»Sturm & Drecks« von Feine Sahne Fischfilet erscheint am 12. Januar 2018 via Audiolith. Die große Tour beginnt in Österreich: 1.2. Linz (Posthof), 2.2. Wien (Arena), 3.2. Graz (PPC). Bemerkenswert: Die Tour wird u.a. von Lonsdale präsentiert. So kann man sich als Unternehmen gegen die Vereinnahmung von Nazis positionieren. Könnte man auch New Balance ans Herz legen.

 

Donots – »Lauter als Bomben«

© Dennis Dirksen

Es stimmt: Die Donots sind mittlerweile eine Riesenband. Aber da kann man jetzt sagen, was man will: Wenn man als »Alternative«-»Punk«-Band sein elftes Album vom Stapel lässt, hat man irgendwann etwas richtig gemacht. Gut, der Erfolg des Vorgängers »Karacho« – immerhin bis auf Platz 5 der deutschen Charts geklettert – lässt sich mit dem gravierenden Wechsel der Sprache ins Deutsche erklären, aber auch sonst ist da viel Beständigkeit und Hartnäckigkeit zugegen. Sonst kriegt man das ja alles gar nicht hin. »Lauter als Bomben« ist – das ist mittlerweile für jede Band, die Relevanz und was zu sagen haben will unbestritten von enormer Wichtigkeit – natürlich politisch, wühlt im bestialischen Dreck der rechts»menschlichen« Abgründe. Musikalisch schwankt das Album hingegen zwischen Stadion, vermeintlich Balladigem und solid-schnellem klassischen Punkrock, ein Feature mit Turbostaats Jan Windmeyer ist auch dabei. Ein bisschen Älterwerden, ein bisschen Wehmut, aber hier und heute im Großen und Ganzen dagegen sein.

»Lauter als Bomben« von Donots erscheint am 12. Januar 2018 via Solitary Man / Warner. Konzert: 7. März, WUK Wien.

 

Farben/Schwarz – »III«(EP)

© Farben/Schwarz / Sportklub Rotterdam

Kann man sich schon hinter die Ohren schreiben: 2018 wird man so einiges vom sympathischen Hamburger Label Sportklub Rotterdam vernehmen – etwa das mit Spannung erwartete Debüt-Album von Vizediktator, das im Februar erscheint. Auch die dritte, konsequent benannte EP der Hanseaten Farben/Schwarz wird Label und Künstler zu einiger szenischer Aufmerksamkeit verhelfen. Der knackige, zu keiner Zeit miefig und althergebracht wirkende Post-Hardcore, der in seinem Spiel mit Dynamiken, mit piano und forte, leise an die Heroen La Dispute erinnert, ist mehr als nur am Punkt und stößt mit Dissonanz bis ans Eingemacht an. Im Vergleich zu den ersten beiden EPs »I« und »II« legen Farben/Schwarz insbesondere musikalisch so noch einmal beträchtlich zu und lassen Hoffnungen auf einen herausragenden Langspieler steigen. Genährt wird das auch durch die Texte. Fernab von so häufigem moralinsaurem Zeigefinger, agieren und agitieren Farben/Schwarz vor allem gegen sich selbst. Gegen die Abhängigkeit von falschen Statements, Slogans und dem ganzen Scheiß.

»III« von Farben/Schwarz erscheint am 19. Januar 2018 via Sportklub Rotterdam. Keine Konzerte in Österreich geplant.

AUSSERDEM ERWÄHNENSWERT:

Tocotronic – »Die Unendlichkeit« (VÖ: 26. Januar 2018)

Wahr ist, was wahr ist, wenn du es glaubst. Die Tocos werden Autobiografen und erzählen auf einem alles andere als biederem – es ist sogar großartig! – Konzeptalbum von sich selbst, vom Werden und Sein, von Coming-Of-Age-Mini-Dramen, von völlig mief-freier Nostalgie. Mit knackigen Stücken, mit Hall & Wahn-Extravaganzen, mit allem, was dazugehört. Wer wissen wollte, warum Tocotronic schon immer über allen anderen standen, wird hier mehr als nur fündig.

 

Erik Cohen – »III« (VÖ: 26. Januar 2018)

Daniel Geiger, ehemaliger Sänger von Smoke Blow und seit nun drei Alben als Erik Cohen unterwegs, ist ein Mann der Stilwechsel. War »Weißes Rauschen« (2016) noch von großflächigen Wave-Arrangements gezeichnet, offenbart »III« klassischen Hau-Drauf-Schweinerock der skandinavischen Schule, ist geradliniger, teilweise penetrant mit vermeintlicher Maskulinität protzender, Gitarrenrock.

 

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