Otto Muehl und das Geschäft mit Kindesmissbrauchs-»Kunst«

Über Jahre misshandelte Otto Muehl, Vertreter des Wiener Aktionismus, innerhalb seiner selbstgeschaffenen Kommune Minderjährige. Nicht nur in ihm gewidmeten Ausstellungen, auch am Kunstmarkt scheint er heute vollumfänglich rehabilitiert.

© Zarah Gutsch

Einen »repräsentativen Querschnitt von Werken aller Schaffensperioden des Künstlers zu zeigen«, so kündigte man die am vergangenen Wochenende zu Ende gegangene Ausstellung am Friedrichshof im Burgenland an, bei der Otto Muehls künstlerisches Schaffen zwischen 1955 und 2003 gezeigt wurde. Der aus dem Wiener Aktionismus hervorgegangene Künstler zeichnet nicht nur für zahlreiche Aktionen, Happenings, malerische und gefilmte Erzeugnisse verantwortlich, er gründete außerdem die einst »größte Familie Österreichs«. Eine Kommune, die als hippieske Wohngemeinschaft in den 70ern in der Praterstraße begann und als Sekte inmitten der Parndorfer Heide am burgenländischen Friedrichshof, später auf der kanarischen Insel La Gomera und letztlich in Faro, Portugal, zu Ende ging. So wurde – außer eines kleinen harten Kerns, der an ihm festhielt – ein Schlussstrich unter seiner »Aktionsanalyse-Organisation (AAO)« gezogen, nachdem er wegen Unzucht mit Minderjährigen bis hin zur Vergewaltigung, Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz und Zeugenbeeinflussung und allgemein Sittlichkeitsdelikten für schuldig befunden wurde. Ein Umstand, mit dem sich die Wienerische Kunst- und Kulturszene noch immer schwer zu tun scheint: Dass der 2010 verstorbene Otto Muehl vor allem genau das war, ein verurteilter Straftäter, der Erwachsenen und Kindern seelisches Leid angetan und sich an Minderjährigen vergangen hat.

Freilich, Muehl selbst tat sich nicht schwer damit, Verbrechen und Kunst zusammenzubringen. Drei große Künstler habe es gegeben: Mozart, Stalin und Hitler. Er sei der nächste in der Reihe. Neben seinen größenwahnsinnigen und widerlichen Selbstbeschreibungen bleibt stets auch das medial transportierte Bild eines mystifizierten und zum »Phänomen« aufgeblähten Künstlers.

1925 in Grodnau im Burgenland geboren, erlangte Muehl unter anderem durch die Beteiligung an der unter dem Titel »Uni-Ferkelei« bekanntgewordenen Kunstaktion im Hörsaal 1 des NIG der Universität Wien zusammen mit seinen Aktionisten-Kollegen Günter Brus, Peter Weibel, Oswald Wiener und Malte Olschewski international Aufmerksamkeit. Interessiert an »alternativen Lebensmodellen« gründete Muehl eine Kommune, deren Grundpfeiler in »freier Sexualität« und »Gemeinschaftseigentum« bestand. Auf der Welle der ’68er-Bewegung schwimmend, fand sein Konzept schnell anklang. Immer mehr schlossen sich der Kommune an, die ins Burgenland übersiedelte und zeitweise bis zu 600 AnhängerInnen zählte. Mitten im Naturidyll nutzt Muehl seine Machtposition zum Missbrauch an Kommunenmitgliedern aus, demütigt andere und misshandelt Minderjährige, in die Kommune hineingewachsen, sexuell.

Paul-Julien Robert verarbeitet in seinem 2012 erschienenen Film »Meine keine Familie« seine Kindheit innerhalb Otto Muehls Kommune.

Die dunklen Seiten von Muehls Sekte sind wohldokumentiert. Unzählige Erlebnisberichte, Fernsehbeiträge und biographische Filme beleuchteten Leben, Verfehlungen und Missbrauch auf dem Friedrichshof. In »Meine keine Familie« thematisierte Regisseur Paul-Julien Robert seine Kindheit in der Sekte – einerseits geprägt davon, dass Kinder, die in deren Strukturen hineingeboren wurden, Schaden davon nahmen, von ihren Eltern getrennt zu werden, andererseits auch davon, sich in einem ständigen Klima der Angst vor Peinigungen durch Otto Muehl ausgesetzt zu sehen. Dabei spart der Film nicht aus, wie (Klein-)Kinder vor großem Publikum gedemütigt worden sind. Auch die sogenannte »Einführung in die Sexualität«, die nichts anderes bedeutete, als der sexuelle Missbrauch minderjähriger Mädchen durch Muehl und minderjähriger Jungen durch dessen erste Frau Claudia, findet Erwähnung. Ein weiteres Filmdokument, das Misshandlungserlebnisse innerhalb der Kommune thematisiert, ist Paul Poets »My Talk With Florence«.

Missbrauch als Kunst

Am Kunstmarkt scheint man möglichst pragmatisch an die Thematik herangehen zu wollen und sich auf die Diskussion zur Trennung von Kunst und KünstlerIn herauszureden. So bereits geschehen, als Muehl nach Absitzen seiner Haftstrafe 1998 von Claus Peymann zu einer Lesung ans Burgtheater hofiert wurde und das Museum für Angewandte Kunst (MAK) 2004 unter Peter Noever eine huldigende Ausstellung kuratierte.

Richtig ist, dass die Frage nach einer Trennung von Kunst und KünstlerIn eine stets wiederkehrende Diskussion ist – zuletzt gewann sie durch die Auszeichnung Peter Handkes mit dem Literaturnobelpreis wieder an Aktualität – , auf die keine universale Antwort gefunden werden kann. Muehl bildet in dieser Debatte jedoch einen Sonderfall, sind seine Verbrechen schließlich in seinem künstlerischen Werk präsent. Zum einen standen seinen Malereien, die zur Zeit der AAO-Sekte entstanden, teils seine Misshandlungsopfer Modell – viele von ihnen als Minderjährige, die somit keine Einwilligung zu ihrer Darstellung geben konnten. Zum anderen verarbeitete er auch sein eigenes übergriffiges Verhalten in seine »Kunst«. Bekanntes Beispiel sind hierfür seine »Aschebilder«, welche im Angesicht der Anklagen gegen ihn entstanden. Material für diese auf Leinwand gebannte Asche lieferten Muehl die Tagebücher und Notizen der Kommunenmitglieder, welche er ohne deren Wissen oder Einverständnis konfiszieren und verbrennen ließ, aus Angst sie enthielten belastbare Inhalte. Es entstanden Bilder, von denen eines zum Beispiel 2004 im MAK ohne entsprechende Kontextualisierung ausgestellt worden ist.

Weiter zu: Statements der Auktionshäuser und Galerien, die Muehls Kunstwerke führen

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