Ausgehen.

Literatur-Remix. Die in Wien lebende serbische Autorin Barbara Markovic hat Thomas Bernhards Erzählung „Gehen“ in die Welt des Belgrader Clubbings überführt.

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„Diese wertlosen Leute, diese wertlosen Leute, diese wertlosen Leute, …“: Das sind die letzten Worte Bojanas nach ihrem skandalösen Auftritt in einem Belgrader Club. Zuvor hat sie die versammelte Clubbing-Szene als langweilige, inspirationslose, blasierte Wichtigtuer beschimpft, als „kopflose Clubbing-Masse“, sie hat den Auftritt von Plastikman gestört, mit ihren Hasstiraden die Kameras eines Fernsehteams auf sich gezogen. Danach versinkt Bojana in Agonie, vom Fernseher steht sie nicht mehr auf und auch Ausgehen mag sie nicht mehr.

Barbara Markovic hat in ihrem Büchlein „Ausgehen“ Thomas Bernhards klassische Erzählung „Gehen“ in die Belgrader Clubszene übertragen. Und zwar Wort für Wort. Die Satzstruktur bleibt, der Kontext ist ein ganz anderer: Figuren, die Handlung, die Orte sind neu. Statt Wien ist es Belgrad, statt des Spazierengehens dreht sich alles ums Ausgehen, die psychiatrische Anstalt, in die der Spaziergänger Karrer eingeliefert wird, ersetzt Markovic durch den TV-Schirm. Was bleibt, ist der Rhythmus. Und erstaunlich ist, welche Kraft die Erzählung entfaltet und wie authentisch sie wirkt: Als wäre sie tatsächlich im Club geschrieben.

Markovic, die 28 Jahre alt ist und in Wien lebt, hat ihr Remix der Bernhard‘schen Erzählung vor fünf Jahren geschrieben. Damals lebte sie noch in Belgrad und sah keinen Ausweg aus der stagnierenden gesellschaftlichen Situation, aus der Enge der Szene, mit ihren Playlists von Songs – im Buch hat sie die Songtitel immer wieder als kurze Musikpausen zwischen die kapitellose Erzählung gesetzt – die man unbedingt kennen musste. Thomas Bernhard kam da gerade recht: sein Hass, seine Unzufriedenheit, seine Verweigerungshaltung. „Über vierzig sind die Willenskräfte schon so geschwächt, dass es sinnlos ist, auch nur den Versuch zu machen, wegzugehen“, lässt Bernhard Karrer sagen. „In dieser Stadt ist deine Willenskraft schon so geschwächt, dass es sinnlos ist, auch nur den Versuch zu machen, wegzugehen“, lässt Markovic Bojana zu ihrer Freundin Milica sagen. Eines ist klar: Bernhards Wien sind die exklusiven Rechte für dieses Verdikt abhanden gekommen.

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