Unter Linken. Von einem, der aus Versehen konservativ wurde.

Seitenwechsel
Wie wird aus einem Linken ein Wertkonservativer? Der Hamburger Journalist Jan Fleischhauer zeigt es, anhand eines Gesellschaftsromans.

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Es ist keine bitterböse Abrechnung und auch kein hasserfülltes Pamphlet: „Unter Linken“, das über 300 Seiten starke Buch von /Spiegel/-Journalist Jan Fleischhauer, versucht eine geistreiche und nicht uncharmante Auseinandersetzung mit der (deutschen) Linken, eine Art Begründung der persönlichen Abkehr. Denn der Autor war selbst einmal ein Linker, so schreibt er zumindest. Fleischhauer ist in einer sozialdemokratischen Familie aufgewachsen, zwar nicht in einem Arbeitervorort, sondern in einem Hamburger Villenviertel; seine Mutter ist überzeugte Sozialdemokratin; sein Vater, so erzählt es Fleischhauer, erhob zumindest nie die Stimme gegen sie.

Was Fleischhauer aufregt, ist die von ihm konstatierte linke Omnipräsenz in Deutschland. Seine These: Die Linke hat in vielen, wenn nicht allen gesellschaftlichen Bereichen die Diskursherrschaft über. Seit der 68er-Bewegung dominiert sie in der Politik, im kulturellen Leben, an den Universitäten und in wissenschaftlichen Diskursen. Eine erstaunliche Diagnose, zumal Deutschland momentan konservativ regiert wird. Darüber sieht der Autor aber kurzerhand hinweg.

Die Beispiele, die Fleischhauer anführt, sind noch immer zahlreich: Von der alternativen Kiez-Infrastruktur über die (fehlgeschlagene) Gesamtschule bis hin zur „falschen“ Toleranz mit deutsch-türkischen Problemjugendlichen reichen sie. Dabei trifft der Autor bisweilen durchaus ins Schwarze: Wenn er etwa die Revolutionsromantik oder Staatsgläubigkeit manch linker Polit-Aktivisten karikiert. Wenn er die notorische Parteinahme vor allem der antiimperialistischen oder globalisierungskritischen Linken mit den Entrechteten dieser Welt – Lieblingsopfer: die Palästinenser – zu Recht kritisiert. Wenn er hinter angeblichem Antizionismus Antisemitismus ortet (wenn dies auch andere vor ihm, das sei hinzugefügt, schon ausführlicher und treffender gemacht haben).

Ärgerlich ist Fleischhauers Polemik hingegen, wenn man merkt, dass er es mit der linken Lektüre selbst nicht besonders genau nimmt: Etwa, wenn er behauptet, dass ein erklärtes Ziel des Feminismus – und insbesondere der Queer-Bewegung – die „geschlechtslose Gesellschaft“ sei. Oder wenn er Mütter heroisiert, die lieber bei ihren Kindern zu Hause bleiben: Laut Fleischhauer viel klüger, als sich wie die Männer mit Karriere herumzuschlagen. An diesen Stellen ähnelt Fleischhauers Rundumschlag einem hilflosen Altherrenwitz. Da mag er noch so sehr das begehrte Prädikat „konservativ“ hoch halten, geistreicher wird das Geschriebene dadurch nicht.

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