Wiener Clubs im Interview: Volksgarten

Vor 37 Jahren noch Disko. Heute frisch renovierter Club. Was neu ist, was alt bliebt und wie das alles funktioniert beantwortete Club Manager Kaveh Ahi.

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Wenn die Wände des Volkgarten reden könnten, sie hätten so manchen Schwank zu erzählen. Die Besucher waren und sind stets bunt gemischt und das Ambiente allein schon wegen der Lage einzigartig. Eine Mixtur aus Saturday Night Fever, Paris Hilton und der Wiener Haute-Volée macht die Nächte zu illustren Schauspielen zwischen Schein und Sein. Manche holen sich das Wasser vom Klo, andere von der Bar den Dom Pérignon.

Ende der 80er Jahre spielte Gilles Peterson monatlich ein Mal bei den Soul Seduction Nights im Garten des Volksgartens und brachte Acid Jazz aus London mit. Selbst Nina Simone gehörte zu den Besucherinnen, als sie in Wien weilte. Privat und inkognito versteht sich. Zwei Jahrzehnte später hat sich einiges getan. Die Feieranten von damals haben bereits Kinder oder sogar schon Enkelkinder. Ein Generationenwechsel wurde auch in der Familie Böhm vollzogen, die Inhaber der drei Locations (Volksgarten, Säulenhalle und Pavillon) sind. Nach einer kürzlichen Revitalisierung der Räumlichkeiten, baten wir den Clubmanager Kaveh Ahi zum Interview und erfuhren das eine oder andere Detail.

Seit 1974 ist der Volksgarten nun Diskothek. Was fand davor in dem ehemaligen „Corthischen Cafe“ statt?

Ihr fragt mich Sachen … Im damaligen Säulengang und dem Platz davor spielten Wagner, Strauss & Co ab Mitte 19. Jahrhundert. Danach Udo Jürgens und Joe Zawinul. Aber lass uns lieber über die Gegenwart reden. Unser letzter Umbau war 2001 – wir hatten uns vorgenommen alle 10 Jahre zu sanieren und umzubauen.

Was die wenigsten Leute wissen, ist, dass der Volksgarten großteils denkmalgeschützt ist. Die Möglichkeiten für Veränderungen sind sehr begrenzt. Die Herausforderung ist also immer alt und neu zu vereinen und dabei auch den aktuellen Geschmack der Partyszene zu befriedigen. Wir sehen uns auch immer mit der großen Erwartungshaltung der Leute konfrontiert: „Der Volksgarten“ baut um – da glauben manche wir stocken auf oder unterkellern oder stellen den DJ zum Kanzleramt. Spaß beiseite. Wir befinden uns an einem sehr prominenten, ehrwürdigen und denkmalgeschützten Ort, wo wir auch dieses Mal mit Hilfe der großartigen Architekten Artec & Behf ein sehr gutes Ergebnis erreicht haben. Wir können uns international sehen lassen.

Warum wurde gerade jetzt entschieden den Volksgarten umzubauen und was sind die innenarchitektonischen wie auch akkustischen und soundtechnischen Neuerungen?

Zum Sound: Es kamen einige Boxen und Verstärker dazu und alte Membrane wurden ausgetauscht. Aber die große Errungenschaft ist (sabber sabber): jeweils 9 Tonnen (!) Stahlbeton und Konstruktion um die Bassboxen unter dem DJ Pult in der Säulenhalle und in der Disko. Der Bass wirkt so spürbar anders. Wir gehen sehr vernünftig mit dieser Power um und haben einen satten Sound ohne die Anrainer zu stören!

Mit der Wiedereröffnung der ehemaligen Banane, die nun Säulenhalle heißt, fand auch eine Neuausrichtung statt. Von einem unkommerziellen Programm und als Location für exklusive Privatveranstaltungen ist die Rede. Was bedeutet das im Konkreten?

Das bedeutet, dass wir in der Säulenhalle nicht unbedingt auf Massen aus sind und auch die Preise (ein großes Bier um € 3,90) so gestalten, dass der Profit nicht im Vordergrund steht, sondern das spezielle Programm und der Spaß. Gemeinsam mit den vielen tollen Veranstaltern ist es uns gelungen neben dem Volksgarten einen eigenständigen, autarken Club auf die Beine zu stellen.

Pompadour, Rudi Wrany, die Neni Jungs, 20 Years of Hip Hop, Soul Sugar, The Room, Music Boxxx, Meat Market, Superfly uvm. haben bereits tolle Events abgehalten. Wobei wir nicht auf Biegen und Brechen ein undergroundiger Club werden möchten! Zu den „Fremdveranstaltungen“ kommen Eigenveranstaltungen der Säulenhalle als Institution mit gutem und spaßigem Programm zu Selbstkostenpreisen hinzu. So zum Beispiel am Freitag den 12.8. mit Livio & Roby (Desolat, Cecille) um € 4.- im Vorverkauf und € 8.- Abendkassa. Es geht eben einfach um gute Musik, g’schmeidigen Leuten, Party und viel Spaß!

Die JBL-Anlage in der Säulenhalle scheint noch aus den Beständen der Banane übrig geblieben zu sein. Findet ihr nicht, dass hier an der falschen Stelle gespart wurde?

Bist du schon mal vor dem DJ Pult mit den Bassboxen gestanden!? Es macht wenig Sinn hier den Sound mit Technik aufzufetten, weil die Anrainer am Ballhausplatz belästigt würden. Aber wir haben durch das Stahlbetongehäuse der Bassboxen im Tanzbereich eine ordentliche Optimierung. Es wäre genug Reserve da, aber der Volksgarten ist mitten im ersten Bezirk und stets bemüht auch die Bewohner der Inneren Stadt nicht zu strapazieren.

An dieser Stelle ein Statement von Alma Gold: „Wir waren in vielen Clubs in Wien und haben auch in manchen gespielt. Der Sound hier ist sehr fein! Macht Spaß.“

Neue Eventreihen wie Rock’n’Electro zeigen mit ihrem Teaservideo in welche Richtung es gehen soll und das scheint doch ein sehr kommerzieller Weg zu sein. Wie ist so etwas dann mit der oben angesprochenen Neuausrichtung kompatibel?

Die Neni Jungs sind extrem engagiert und sehr mutig, was das Musikkonzept Rock’n’ Electro betrifft. Kann ich nur loben! Das Video war ihr erstes und man sollte nicht nach dem einen Video allein gehen. Im September gibt es die zweite Rock’n’ Electro Veranstaltungen. Wir freuen uns. Die Jungs geben Gas!

Aber ich hoffe, ihr habt auch alle anderen Outputs der Events und Veranstalter in der Säulenhalle gesehen. So zum Beispiel das sensationelle Video vom ersten „20 Years of Hip Hop Event“ oder die Aufmachung vom „Fleischmarkt“ mit dem Act Norman Nodge (Berghain Berlin). Auf unserer Fanpage auf Facebook ist viel gutes Material. „Gefällt mir“.

Ändert sich nach der Neueröffnung etwas an eurer Türpolitik, die doch etwas strikt und und für Außenstehende willkürlich wirkt? Gibt es einen Unterschied zwischen Volksgarten und Säulenhalle?

Im Volksgarten ist die neue Türpolitik: Jeder mit einem „reinen“ Partyherzen und erwachsenem Auftreten ist willkommen. Outfit ist (fast) egal. Absolutes No Go: Aggression. In der Säulenhalle ist fast alles erlaubt, nur kein schlechtes oder unkontrolliertes Benehmen und Aggression.

Was sollte ich auf gar keinen Fall anziehen, damit ich bei euch Feiern darf?

Die Uniform vom Hitler. Hmm… nicht so einfach. Komm halt nicht ganz nackt!

Was unterscheidet den Volksgarten von der Passage als Upperclass-Club und der Pratersauna als Hipster-Club? Wo würdet ihr euch einordnen?

Der Volksgarten ist ein Upperclass Club aufgrund der gebotenen gastronomischen und architektonischen Qualität und Infrastruktur; und zugleich ein hipper Club aufgrund seiner Offenheit und seinem Programm für jeden Geschmack. Wir sind beispielsweise hip wegen unserer Samstagreihe “Get Whipped“, wo wir jede zweite Woche mit Peng! eine Kooperation haben und “Mode Talking“ stattfindet. Mit Alecante (Sunday Mornings) haben wir die richtige musikalische Ansprechperson.

Im Volksgarten bekommt der weltoffene und tolerante Gast seine Drinks in ordentlichen Gläsern mit einem entsprechenden Service im gepflegten Rahmen und hat selbst eine Jogginghose, Trägerleiberl und zerrissene Chucks an. Diese Kombination ist in den von dir genannten Clubs wegen der fehlenden Komponente da und dort schwer möglich. Aber lass mich bitte ausdrücklich festhalten, dass wir uns nicht mit den Kollegen vergleichen oder groß messen möchten. ALLE haben ihre Berechtigung und wir alle sitzen in Wahrheit im selben Boot. Am Ende soll jeder so sein, wie er ist und will und hoffentlich geht’s uns allen gut!

Was genau sind deine Aufgaben als Clubmanager und bist du auch für Säulenhalle und Pavillon zuständig?

Für Pavillon nicht. Also „nur“ Volksgarten und Säulenhalle. Auf das Wort „zuständig“ müsste man auch etwas genauer eingehen: Meine Aufgabe ist, dass alle – Gäste und Staff – happy sind und wir am Ende des Tages schwarze Zahlen schreiben. Das alles wäre ohne dem großen Team und Michael Böhm nicht möglich. Mich da rauszupicken ist ohnehin schwer und nicht passend. Die Namensliste der vielen Verantwortlichen wäre lang. Also fange ich erst gar nicht an, obwohl jeder Einzelne eine ganze Seite Danksagung verdient hätte. Großartig! Übrigens habe ich eine Frau an meiner Seite, ohne die mein ganzes Schaffen in der Form nicht möglich wäre. Baby, I love you!

Was für Trends würdest du gerade jetzt in Wien verorten was das Ausgehverhalten betrifft?

Vielleicht ist es mal an der Zeit keinen kurzlebigen Trends nachzulaufen, sondern sich auf das „Wohlfühlen und authentische Feiern“ zu besinnen. Vielleicht hoffe ich auch nur, dass es so ist. Lasst uns g’schmeidig feiern und basta. Der Rest ergibt sich von selbst.

Wo suchst bzw. findest du neue Inspirationen um diese als Clubmanager wieder einfließen zu lassen? Reist du davor viel?

Hmm… jetzt muss ich schon wieder über mich reden. Ich bin ein sonderbarer Freak mit Durchblick. Reicht das!?

Das Techno Cafe zählt wohl zu den wenigen Eventphänomenen dieser Stadt, die sich über die Jahre derart bewährt haben. Warum versucht ihr es nicht mit so einer Eventreihe im Volksgarten oder funktioniert dies deiner Meinung nach im Großen nicht?

Heuer waren wir mit dem Umbau und den strukturellen Veränderungen beschäftigt. Warte den nächsten Sommer ab…

Warum habt ihr Alecante, den Veranstalter von Sunday Mornings, mit ins Boot geholt? Was waren die ausschlaggebenden Gründe dafür?

Abgesehen davon, dass wir personell unterbesetzt sind, ist Alec nicht nur ein Freund, sondern schlichtweg einer, der was von Musik versteht und gleichzeitig auch uns. Oies ned so afoch. Ich persönlich schätze seine Toleranz und Offenheit. Manche Akteure, der Szene schließen aus und sind zu verbissen. Mit Alecante möchten wir neue Ebenen der Partykultur schaffen und aufzeigen, dass es nicht nur Eines, nämlich Meines, gibt.

Wird sich nun nach dem Umbau an den Preisen sowohl beim Eintritt als auch an der Bar etwas ändern?

Nö. Getränkepreise sind gleich geblieben. Donnerstags verlangen wir € 10.-, Freitag und Samstag € 12.- (auch bei den meisten Specials) Eintritt.

In der Säulenhalle haben wir günstigere Preise an der Bar und beim Eintritt versuchen wir so niedrig, wie möglich zu bleiben.

Sponsoring im Club war bei euch auch nie so Thema wie bei anderen. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Naja, wir haben schon große Partner, siehe DJ Pult zum Beispiel. Wir wollen aber fast kein Branding im Lokal. Und wenn, sehr dezent.

Warum lasst ihr dann zum Beispiel ein Onlinecasino bei euch werben, wenn die doch darauf abzielen, dass Leute daheim bleiben und spielen, statt auszugehen und ihr Geld bei euch ausgeben?

Das wird ihnen so nicht gelingen. Im Ernst: Ich glaube deswegen bleibt niemand zuhause. Und wenn, war das eben nicht unser Gast, der das Spielen am Wochenende in der Nacht vorgezogen hat.

Thema Sperrstunde. Seit der Regelung, die ab 1. August in Kraft getreten ist, gibt es nun besondere Auflagen zu den Öffnungszeiten. Nachdem ihr ja an dem ultimativen Spot in Wien liegt: Befürchtet ihr keine Einschränkungen?

Nein. Wir waren immer die Braven und haben das Thema nicht ausgereizt. Das Problem gab oder gibt es nur wegen Kollegen, die es übertrieben haben. Aber gemeinsam haben wir eine einheitlich Sperrstunde bis 6:00 Uhr erwirkt. Freut mich zwar, aber gerade am Wochenende möchten erwachsene Menschen gerne selbst entscheiden wann sie feiern und wann sie schlafen. Deswegen halte ich eine zwanghafte Sperrstunde für unsinnig. Siehe Berlin…

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