Die Avengers der Noise-Szene: Wirtschaftskammer

Die Supergroup Wirtschaftskammer schlägt auf ihrem Debüt dem Neoliberalismus gleich mehrere Schnippchen.

© Eva Kadlec

Der Neoliberalismus lehrt uns nicht nur Ausbeutung und Dauerhackeln, sondern auch: Am Ende hast du nur dich selbst. Im Kampf gegen den größten Feind musst du dich aber trotzdem immer mit anderen zusammentun. Vor allem, wenn der Feind der Neoliberalismus ist. Und so haben auch Wirtschaftskammer, die Avengers der österreichischen Noise-Szene, zusammengefunden. Angeführt von Mastermind Clemens Denk haben sich Mitglieder von Luise Pop, Aivery, Der Nino aus Wien (die Band) und Voodoo Jürgens auf ein Packerl gehaut, um als schwer googlebare Gruppe genau das zu tun: dem Neoliberalismus gleich mehrere Schnippchen zu schlagen.

Die Supergroup exerziert auf ihrem Debüt schwer verdauliche und ebenso schwer verkäufliche, vermeintliche Kakophonie – fernab von Marktzwängen, Zielgruppen- und Marketing-Bullshit-Bingo. Ohne Rücksicht auf Streaming-Playlisten – sechs der 13 Stücke sind unter zwei Minuten lang –, teilweise derbstes Geschrammel, teilweise Antimusik mit surrenden Tonstrukturen, stellenweise gar kaum konsumierbar. Der sich auflösende Mensch quasi als Teil ebenjenes Konsums, weißt eh. Aber der (Media) Markt braucht Einordnung, die paar Leute sollen schließlich wissen, wo sie das finden: Noise, Jazz, Experimental, Krautrock, was weiß ich?!

»Hast du eine Rechnung?«

Dass die Songcollagen Namen wie »Rechnung«, »Kaufkraft« oder »Steuerberater« tragen, ist nur ein weiteres Indiz für die Ablehnung von Konsum als Selbstzweck. Auch der »Gesang« ist verfremdet – typisch Denk halt – und trägt dem Inhalt Rechnung: verschrobene Beobachtungen aus Alltag und Wirtschaft, aufgelöst und mit vertauschten Bedeutungen, schlussendlich aber doch ineinander verwoben – wie der mechanische Webstuhl und die Industrialisierung. So erfährt man nicht nur etwas über die allgegenwärtige Frage »Hast du eine Rechnung?«, sondern auch die Telefonnummer vom »Schlüsseldienst«.

Ein Konzeptalbum – klingt immer gut –, ausgerichtet auf Zerstörung: der Hörgewohnheiten, der Denkmuster der Generation Spotify und vor allem der Wirtschaft. »Du musst die Wirtschaft verstehen«, hat Onkel Frank immer gesagt. Ich sag: »Du wirst daran scheitern.« Und das ist gut so.

Wirtschaftskammer »Wirtschaftskammer«

»Wirtschaftskammer« von Wirtschaftskammer erscheint am 29. März 2019 bei Cut Surface. Am selben Tag ist die Band auch live zu sehen, und zwar im Venster 99 in Wien.

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