20 große Kulturensöhne und -töchter aus dem The-Gap-Umfeld erzählen von einschneidenden Erlebnissen und persönlichen Schlüsselmomenten ihrer Vergangenheit – und Zukunft. Teil 2.
Zukunft | Feminismus
Therese Kaiser: Crop Tops für alle!
Donnerstag Abend, Stammtisch. Irgendjemand bespricht eine seichte Liebeskomödie: Übliche Geschichte, Girl verliebt sich in Boy, Boy verhält sich inkorrekt, Girl interessiert sich nicht mehr für den Boy. Solche Liebesgeschichten laufen die Kinos auf und ab, immer die selbe Botschaft: Die Würde von Menschen ist unantastbar, und es gibt in Liebesbeziehungen keine schwächere Position, aus der heraus emotionale Gewalt ertragen werden muss.
Die erste Runde geleert, jetzt wird’s politisch – wobei, das war es sowieso immer. Eine Statistik zeigt auf, dass immer noch 18% aller Frauen weltweit keinen Zugang zu gratis Hygieneprodukten haben. Kaum vorstellbar, wie es wäre, wir müssten monatlich für Hygieneprodukte bezahlen, oder überhaupt: Für Verhütung aufkommen! Einwurf: Könnt ihr euch noch erinnern, als Frauen die gesamte Last der Empfängnisverhütung tragen mussten? Nostalgisch werden Geschichten getauscht, zu Pille und Pflaster und Spirale, alle darauf ausgelegt, unseren Uterus unter Kontrolle zu halten, während Männer höchstens mal Kondome ins Verhütungsspiel brachten. Könnt ihr euch noch erinnern, als Frauen gleichzeitig ihre Selbstbestimmungsrechte verteidigen mussten? Und weibliche Sexualität vor allem an »Huren« und »Heiligen« abgehandelt wurde? Und wütende Mobs Gruselbilder vor Abtreibungskliniken hochhielten? Was für eine Welt!
Auf der anderen Seite werden in kleiner Runde Bewerbungsschreiben bewertet. Wir machen uns einen Spaß daraus, uns vorzustellen, wie die Bewerber_innen wohl aussehen könnten. Aus standardisierten CVs lässt sich nämlich nicht ablesen, wem man dann beim Bewerbungsgespräch gegenüberstehen wird. Man stelle sich vor, es gäbe ein Bild hierzu, und es würde nach Aussehen, Herkunft, Geschlecht oder Alter entscheiden, wer zu einem persönlichen Gespräch geladen wird. Crazy! Als die Kanzlerin und die Sozialministerin damals den Vorschlag brachten, Bewerbungsschreiben zu anonymisieren, und gleichzeitig verpflichtende Quoten für börsennotierte Unternehmen einführten, war die Aufregung groß. Die Opposition stellte sich quer, und vor allem die Männer schienen Amok zu laufen.
Kaum vorstellbar, dass sich jemals irgendwer ernsthaft gegen gleichberechtigte Partizipation am Arbeitsmarkt quer gelegt hat. Wobei: immer noch gibt es Dinosaurier, die gerne betonen, die Frau wäre dazu geboren, um zu gebären. Solche Fanatiker finden sich manchmal am Stephansplatz. Zu zehnt schreiten sie dann im Kreis, halten Schilder hoch, »Frauenkarenz jetzt!« und »Kinder brauchen ihre Mamis!«. Erst kürzlich hat die Stadt Wien eine psychosoziale Helpline eingerichtet, um hier Hilfestellung leisten zu können.
Woher ist deine Jacke? Schreit es mir über den Tisch. Die ist Vintage, schreie ich zurück, aus irgendeinem Shop, in dem es noch Kleidung gibt, die für Frauen oder Männer gemacht wurde. LOL! Damals, als Männer noch keine Crop Tops getragen haben und Frauen lächerliche Templates vor die Füße geworfen wurden. Wie frei es sich anfühlt, sozialisierte Geschlechterdifferenzierungen abzulegen. Wie frei es sich anfühlt, in dieser Welt zu leben.
Therese Kaiser ist Mitgründerin der Sorority, einer Initiative zur Vernetzung von Frauen über Branchen hinweg, die zum Ziel hat, unsere Zukunft so oder so ähnlich aussehen zu lassen. Dokumentation: Amira Ben Saoud
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