20 große Kulturensöhne und -töchter aus dem The-Gap-Umfeld erzählen von einschneidenden Erlebnissen und persönlichen Schlüsselmomenten ihrer Vergangenheit – und Zukunft. Teil 2.
Vergangenheit | Musik
Hannes Eder: Was bisher geschah…
1997… das tippt sich jetzt beinah schon etwas sperrig, so lange ist das bereits her. Obwohl, auch nur der Wimpernschlag einer Libelle, so im Lauf der Welt.
Vor 20 Jahren also. Da gab es ja nix, bzw. fast nix von dem Zeug das uns heute mehrere Stunden pro Tag wegfrisst. Die Erfinder von Youtube und WhatsApp waren grad aus der Mittelschule raus, die von Facebook, Spotify und Instagram hatten grad erst damit begonnen. Damals hatte unsereins also Zeit und konnte Magazine gründen. Oder in meinem Fall mit Radio FM4 daran arbeiten, Blue Danube Radio (BDR) zur Gänze zu übernehmen. Mein Lieblings-Coup: mit Ster-und Grissemann eine Morningshow (»FM4–Morgengrauen«) wochenweise voraufzunehmen und damit zwischen 5 und 6 Uhr früh die BDR-Tagesquoten in den Schatten zu stellen.
2000 war die Mission erfüllt, rund um die Uhr die etwas andere Musik, die etwas anderen Inhalte waren im Äther, FM4 war ein 24-Stunden-Sender – und über Österreichs Grenzen hinaus eine Marke. On- und Off-Air. Wermutstropfen daran: der bis heute reichweitenstärkste Radiosender des Landes (Ö3, Anm. der Redaktion) verabschiedete sich bei der Gelegenheit sicherheitshalber von Musik aus Österreich. Die heimische Musikszene benötigte beinahe 20 Jahre, um sich davon zu erholen.
Da gab’s immer noch kein iPhone. Ja noch nichtmal einen iPod (Pod, nicht Pad!), der iTunes Store ließ noch vier Jahre auf sich warten. Aber Internet gab es. Und Donnerstags-Demos gegen eine ungeliebte Schwarz-Blau-Regierung. Ohne Flashmob, trotzdem zehntausende DemonstrantInnen jede Woche. Einen Innenminister, der sich darüber jetzt bitte keine Berichterstattung mehr wünschte – und enttäuscht wurde. Spätere Lobbying-Versuche sollten ihm weltweite Bekanntheit und eine Fussfessel einbringen.
Ich kannte damals niemanden, der sich selbst oder sein Essen fotografiert hat. Auch keinen, der sich das angesehen hätte.
Als unter dem Kürzel mp3 die Revolution der Musikwelt um die Ecke geschlichen kam, konnte sich keiner ausmalen, welch brachiale Veränderung das bis dahin bekannte Musikgeschäft dadurch erfahren sollte. Schon gar nicht eine fettgefressene Musikindustrie, die eben ein Jahrzehnt lang den gesamten Musikkatalog dieser Welt nochmal auf CD verkauft hatte.
Fans zahlten kurioserweise bis Anfang der Nullerjahre für die Musik ihrer Heroes, in Unkenntnis von Alternativen übrigens ganz ohne Sudern und Raunzen. Damit war bald Schluß. Statt Platten oder CDs zu kaufen, begann man, Files zu sharen. Das war aufregend, innovativ, voll anti-kapitalistisch, den Major-Konzernen den Mittelfinger gezeigt – und der Überlebensfähigkeit unzähliger kleinerer Indie-Labels gleich mit. Klar, Vielfalt im Netz und alles gratis ist wunderbar, die Einkommenssituation der KünstlerInnen weniger. Der Mittelfinger bahnte sich bald den Weg ins eigene Auge, als z.B. Konzertkarten plötzlich das Vielfache eines Albums kosteten. Andere Kultursparten wie Literatur und Film waren mit etwas Verspätung nicht minder von den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung betroffen. Hämische Journalisten-Kommentare a la »da muss man sich halt neue Geschäftsmodelle ausdenken« hab ich mir dann sehr oft während meiner Universal Music-Jahre angehört. Eh. Dass Medienunternehmen die nächsten in der Reihe waren, bedeutet mir übrigens keine Genugtuung. Mittel und Wege zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gesucht und erkämpft zu haben, allerdings schon. Etwa mit Spotify das Musikstreaming frühzeitig nach Österreich geholt zu haben. Oder mit der IFPI (dem Verband der Musikproduzenten) in einem jahrelangen Prozess sowohl die Festplattenabgabe, als auch eine Mindestquote für heimische Musik in ORF-Programmen durchzusetzen. Und, etwas, woran sich kaum mehr jemand erinnert: gegen 2007/2008, und somit Meilenweit vor Netflix und Amazon, war Österreich Dank Innovationsbereitschaft einiger Macher aus Medien- und Mobilfunkunternehmen für kurze Zeit weltweit führend im Streaming von Bewegtbild. MobileTV hieß das, mit meinen Mitstreitern durfte ich mit UrbanTV und LaLaTV zwei originäre 24h-Sender dafür bauen. Lief leider nur für ein paar Jahre, weil eindeutig zu früh dran gewesen, und nicht zuletzt durch eine Fehleinschätzung des damaligen Handy-Weltmarktführers Nokia gekillt. Deren Technischer Direktor weigerte sich, Geräte mit größeren Displays zu bauen und begründete das 2008 in einem Meeting folgendermaßen: »Wissen Sie, ich glaube nicht an die Zukunft von Bewegtbild auf mobilen Geräten!«
Hannes Eder wurde anfangs als Musiker (The Bates), Journalist und Leiter der Ö3-Jugendredaktionen auffällig. In Folge war er Mitbegründer und Programmchef von FM4, ORF Zentralbetriebsrat und im ORF-Stiftungsrat und Werbeagentur-Besitzer. Von 2003 bis 2016 war er CEO von Universal Music, seit 2007 Präsident der IFPI. Derzeit betätigt er sich – »in den großen Ferien« – als Business Angel. Dokumentation: Thomas Weber
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