50 Jahre läutet Marianne Mendts »Glock’n« nun schon 24 Stunden am Tag. Circa 438.000 Stunden sind das hochgerechnet bis heute. Gefühlt genauso viele Songs sind seither in Österreich geschrieben und produziert worden. Österreichischer Pop hat viele Gesichter und Geschichten – welche davon sind die wichtigsten?
11. Gustav »We Shall Overcome« (2004)
Schon das anfängliche Wummern und Zwitschern des Laptops hat etwas Erhebendes. Wenn Gustav dann mit »Dear fellow citizens« zur gnadenlosen Analyse der gesellschaftspolitischen Verhältnisse, aber vor allem zur ungebrochenen Durchhalteparole anhebt, beginnen sich die ersten feinen Armhärchen der Schwerkraft zu widersetzen. Und spätestens beim Refrain – ein vielstimmiger Chor, der zärtlich »We shall overcome one day« schmettert – sollte es um jeden Menschen mit Hirn und Herz geschehen sein. Das gleichnamige Protestlied (in der bekanntesten Version von Joan Baez) gilt als Schlüsselsong der US-Bürgerrechtsbewegung. Eva Jantschitschs Hymne ließe sich eine ähnliche Bedeutung für den Widerstand gegen Schwarz-Blau attestieren, wobei sich die zutiefst politische Künstlerin, deren musikalisches Spektrum beim hintergründigen Chanson beginnt und bei beseelten Elektronikfrickeleien noch lange nicht aufhört, gegen Vereinnahmungsversuche und Verwertungslogiken noch immer zu wehren wusste. 2005 etwa quittierte sie ihre Auszeichnung bei den Amadeus Awards mit einem Tocotronic-Zitat: »Aber hier leben, nein danke!« (mf)
10. Conchita Wurst »Rise Like A Phoenix« (2014)
Österreich ist kein Eurovision-Land. Der Zug zum Tor, den »Schas« zu gewinnen, hat nach Udo Jürgens’ dreimaliger Teilnahme keine Struktur bekommen. Bis Conchita kam. Eigentlich hätte laut Eurovision-Wettbüros erst eine armenische, später eine schwedische Ballade gewinnen sollen. Österreichs Balladenbeitrag lag bis zum Semifinale statistisch im erwarteten Mittelfeld. Bis heute hält sich die Frage: War es Conchitas glasklare Performance? Oder war es das plötzliche Bedürfnis der Fans, nach Jahren der eher gesellschaftsunkritischen ersten Plätze wieder einen politisch relevanteren Beitrag als SiegerIn zu küren? In jedem Fall war Conchitas »Phoenix« mit Abstand der Eurovision-Gewinn der 2010er, der in Europa am meisten Diskurs ausgelöst hat. Eurovision-Alumni wurden aufgrund ihrer eklatanten Homophobie geshitstormt (Bye, Dima Bilan!), die Parodien, die Ampeln, die steigende Zahl an Dragqueens mit Bart etc. Ein Song, der komplett aus der Zeit gefallen und musikalisch in keiner Weise repräsentativ für das Jahr 2014 war, war jedoch genau das, worauf viele gewartet hatten. (tz)
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