Was wird der Kulturbranche von der Krise bleiben? Stadträtin Veronica Kaup-Hasler über Kultur als öffentliches Gut, das Problem mit quantifizierendem Effizienzdenken und eine Bedrohung namens Sparkaket, gegen die sie ankämpfen will.
Ist das in den aktuellen politischen Konstellationen – in Österreich, aber auch international – wirklich realistisch?
In dieser Stadt hat die Stadtregierung die Zeichen der Zeit erkannt – mehr zu investieren in Bildung, in Wissenschaft, in Medizin, in die Gesundheitsstruktur und in ökologische Nachhaltigkeit. Auch in Hamburg und Berlin gibt es dafür ein Verständnis. Wir müssen europäische Leuchttürme werden. Und ich glaube, mit dieser Vorbildwirkung hat man dann auch eine Chance für das nächste Level.
In unseren Gesprächen mit Künstler*innen sowie Kulturinstitutionen taucht immer wieder ein Damoklesschwert auf, das über der Zukunft schwebt: ein mögliches Sparpaket. Sind Sie hier auch so pessimistisch, dass es – weil jetzt derart viel Geld ausgegeben wird – einfach passieren muss, dass wieder drastisch gespart wird?
Das ist sicher eine reale Bedrohung. Solange ich hier bin, werde ich dagegen kämpfen. Wir lassen unsere Subventionsmaßnahmen ja weiterlaufen, ungeachtet dessen, ob etwas aufgeführt wird oder nicht. In der großen Hoffnung, dass mutig weitergeplant wird und dass die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Institutionen oder Vereine diesen Mut weitergeben und Verträge machen, die keine Ausschlussregeln durch Pandemie oder höhere Gewalt vorsehen.
Die Menschen haben Sorge, Fehler zu begehen, aber der größte Fehler wäre jetzt, einen Dominoeffekt anzustoßen, weil das eine große Menge an arbeitslosen Künstlerinnen und Künstlern schaffen würde, die dann ohnehin wieder – über das Sozialressort, AMS und andere Töpfe – unterstützt werden müssen. Die Kulturlandschaft braucht eine klar agierende Kulturpolitik, die Hoffnung und Zuversicht vermittelt und Vertrauen schafft.
Trauen Sie sich zu prognostizieren, wann ein regulärer Kulturbetrieb, unberührt von der Pandemie, wieder möglich sein wird?
(lacht) Puh! Klammern wir die Möglichkeit aus, dass es weitere Mutationen gibt, die wir nicht kennen und die die Impfungen nicht abdecken. Wenn wir dann auch noch alle Impfstoffe rechtzeitig bekommen … Also ich glaube, dieses Jahr werden wir noch bis weit in den Herbst damit zu tun haben, bis wir halbwegs durchgeimpft sind. Und danach könnte uns die Maske noch länger begleiten. Aber so in einem Jahr würde ich damit rechnen.
Was werden dann die langfristigen Folgen der Pandemie sein? Wird sich da etwas verändert haben für die Kulturbranche?
Die Folgen werden vielfältig sein. Die Stadt wird auf jeden Fall versuchen, das Commitment für Kunst und Kultur weiter aufrechtzuhalten. Das ist das eine. Und das andere: Ich glaube, dass bestimmte neue Formate – etwa diese Kunstmesse im Hotel Intercontinental – sehr interessant sind und durchaus bleiben könnten. Es gibt da hochspannende Versuche im digitalen Raum, die eine neue Ästhetik und einen Mehrwert haben. Es wird – das ist jetzt schon sichtbar – eine starke Digitalisierung von Sammlungen geben, die auch online abrufbar sind. Das ist dann nicht einfach nur ein Bild, sondern vielleicht eine 3D-Darstellung oder eine Information, die man im normalen Ausstellungskontext nicht bekommen könnte. Das finde ich spannend, das macht Sinn. Andere Streaming-Geschichten wiederum sind vernachlässigbar.
Gerade das Kino erfährt aktuell eine multiple Veränderung weltweit. Kinos werden in ihrem Verhältnis zum Publikum völlig andere Wege beschreiten müssen, sie werden wahrscheinlich theatraler werden. Programmkinos werden das analoge Moment, warum man zusammenkommen muss, noch einmal durch zusätzliche Inhalte verstärken. Auch die großen Kinoketten haben es schwer. Aber sie haben natürlich die Massivität des Bildschirms, des Sounds – das ist zu Hause nicht herstellbar. Deshalb glaube ich trotzdem, dass es wieder großen Film auf großen Leinwänden geben wird.
Also das ist die Perspektive. Ich glaube, dass die Post-Corona-Gesellschaft verstärkt sich selbst hinterfragen, die sozialen Fragen neu stellen und Lösungen erarbeiten muss. Wichtig dabei ist, demokratische Prinzipien zu stärken und das geht nur gemeinsam. Bürgerbeteiligungen werden daher in Zukunft bei maßgeblichen Entscheidungen eine Rolle spielen. Kunst und Kultur können dabei einen partizipativen Beitrag leisten.
Veronica Kaup-Hasler ist seit 2018 amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft in Wien. Zuvor hat sie über ein Jahrzehnt lang das Festival Steirischer Herbst als Intendantin geleitet. Das Interview wurde im Rahmen der Recherche zu unserer aktuellen Coverstory (»Corona-Aftermath – Was der Kulturbranche von der Krise bleiben wird«) geführt.