»Wir wollen das Nervensystem der ZuhörerInnen treffen« – These New Puritans im Interview

Der Output von These New Puritans wird als moderne und doch zeitlose Mischung aus Punk, Rock, Klassik, Electronica und experimenteller Musik beschrieben. »Inside The Rose«, das im Vorjahr veröffentlichte vierte Album der Band der Zwillingsbrüder Jack und George Barnett, gilt als ihr bislang zugänglichstes Werk – und wurde von der Kritik abermals gefeiert.

© Harley Weir

Sechs Jahre sind seit der Veröffentlichung eurer letzten Platte »Field Of Reeds« vergangen. Obwohl die beiden Alben sehr unterschiedlich sind, klingt das erste Stück auf »Inside The Rose« wie ein Übergang zwischen den beiden Alben.

Jack: Das ist wirklich schön zu hören. In meiner Jugend mochte ich Frank Zappa sehr – und das, was er über konzeptionelle Kontinuität sagte. Man veröffentlicht ein Album und 20 Jahre später ein weiteres, das auch auf Soundelementen basiert, die die frühere Platte verwendet hat. Zum Beispiel hat »White Chords« auf »Hidden« die gleiche Melodie wie »Costume« auf »Beat Pyramid«. Es gibt in unserer Musik einige absichtliche Referenzen zu früheren Stücken und damit auch eine Art Kontinuität.

Die Titel eurer Alben – »Beat Pyramid«, »Hidden« und »Field Of Reeds«, bergen oft etwas Geheimnisvolles. Worauf verweist das Wort »Inside« im aktuellen Albumtitel?

George: Für mich bedeutet es, in eine fremde Welt einzutauchen. Aber, Jack, eigentlich bist du auf den Titel gekommen, also kannst du ihn vielleicht besser erklären.

Jack: Ich dachte an Begegnungen, die die Art und Weise, wie man die Welt sieht, völlig verändern. Etwas auf der Straße, ein vorübergehender Moment, eine Erfahrung oder eine Person, die einen absolut einnimmt, die einen überwältigt und zu deiner eigenen Welt wird.

Die Texte scheinen im Vergleich zum letzten Album an Bedeutung gewonnen zu haben.

George: Der Grund dafür ist – für mich zumindest –, dass »Field Of Reeds«, auch wenn Jack viel darauf gesungen hat, fast wie eine Instrumentalplatte war und …

Jack: Die Beschreibung gefällt mir. Aber bitte beende, was du sagen wolltest.

George: … nein, du solltest es beenden. (lacht) Wir haben früher viel mit Gesang und Geräuschen herumexperimentiert, aber diesmal hat Jacks Stimme die Hauptrolle.

Jack: Ich erinnere mich, als wir noch jung waren und Musik machten, habe ich oft nur Geräusche und Gesang imitiert und keine Texte gesungen. Ich würde sagen, auf »Field Of Reeds« war es ähnlich und meine Stimme war nur ein weiteres Instrument. Nicht mehr und nicht weniger. Beim aktuellen Album wollte ich aber singen. Über Dinge, an die ich glaube, und auf eine Weise, zu der ich mich bekennen kann. Das kann man nur ehrlich machen, denn wenn du etwas nur vorspielst, kriegst du ein Problem, wenn eine bestimmte Stelle neu aufgenommen werden muss. Bei einigen der Lieder, etwa bei »A-R-P«, habe ich trotzdem improvisiert und du hörst die Zeilen genau so, wie ich sie beim ersten Mal gesungen habe. Diese Spontaneität funktioniert aber nur deshalb, weil es ehrlich entstanden ist.

»Field Of Reeds« war kein fröhliches Album. Die Stimmung von »Inside The Rose« ist viel wärmer. Woran liegt das?

George: Ich selbst habe sicherlich eine positivere Einstellung zu vielen Dingen, und die Stimmung des Albums ist zukunftorientiert. Jack, du sagst doch immer, dass du keine Musik schreiben könntest, die nicht deiner aktuellen Stimmungslage entsprechen würde …

Jack: Ja, das stimmt. Ich denke, dieses Album repräsentiert unsere beiden Gefühlswelten. Es spiegelt einerseits Vertrauen in die Gegenwart wider und andererseits einen transparenten und ehrgeizigen Gemütszustand. Die Songs handeln auch von den Extremen des Lebens, von außergewöhnlichen Gefühlen und aufregenden Momenten. »Anti-Gravity« zum Beispiel handelt von solchen Momenten im Leben, in denen alle Regeln und Konventionen verschwinden und man erstaunliche, befreiende Erfahrungen macht. In der Musik versuchen wir dies auszudrücken, indem wir uns schrittweise an eine Melodie herantasten, die dann plötzlich im Mittelteil erscheint und das Lied schwebend bis zum Ende begleitet.

Das Album klingt zeitlos, ohne jeglichen Bezug zur Gegenwart oder zu einer anderen Epoche. Ist das etwas Bewusstes, um alltägliche Diskussionen von eurer Kunst fernzuhalten?

George: Das ist wahr, auch wenn wir zum Beispiel absolute Brexit-Gegner sind.

Jack: Ich glaube, wir sind keine Band, die über aktuelle Themen sprechen sollte. Ich denke zwar, dass es mehr politische Bands geben müsste, aber für uns fühlt es sich einfach nicht richtig an.

George: Warum eigentlich nicht?

Jack: Unsere Musik ist eher persönlich und braucht keine politischen Aussagen oder bestimmte Ideologien. Das Tolle an Musik ist sowieso, dass man Dinge ausdrücken kann, die über den eigenen Wortschatz und generell über das, was mit Wörtern auszudrücken ist, hinausgehen. Ich überrasche mich gerne mit Musik – und im Tausch führt sie mich an Orte, die ich mir nie erträumt hätte.

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