50 Jahre läutet Marianne Mendts »Glock’n« nun schon 24 Stunden am Tag. Circa 438.000 Stunden sind das hochgerechnet bis heute. Gefühlt genauso viele Songs sind seither in Österreich geschrieben und produziert worden. Österreichischer Pop hat viele Gesichter und Geschichten – welche davon sind die wichtigsten?
90. Camo & Krooked feat. Pat Fulgoni »All Night« (2013)
Im Drum & Bass jagen alle die lauteste Snare, den fettesten Drop, das gewaltigste Feuerwerk in den Synapsen. Camo & Krooked aber finden Nuancen. Sie wollen einem Genre, das vom Maximum lebt, Understatement beibringen. »Watch It Burn« hat alle Regler noch auf der Elf, »If I Could« wartet mit brillanten Farben auf, »Good Times Bad Times« verschränkt Soul mit einem verrückten Break. »All Night« dagegen bedient alle Regeln der Kunst und setzt sie gleichzeitig außer Kraft. (sn)
89. Crack Ignaz »Elvis« (2012)
Wenn Crack Ignaz jedes Mal, wenn er als der österreichische A$AP Rocky bezeichnet wurde, einen Euro bekommen hätte, würde er wirklich in »Geld Leben«, wie sein viertes Album hieß, das er 2016 zusammen mit Wandl produziert hat. In dieser Liste steht Crack Ignaz für das, was Cloud-Rap im vergangenen Jahrzehnt hierzulande ausgemacht hat: Hanuschplatzflow und Millionen Schichten Ironie. Mit »Elvis« erfindet der Salzburger die österreichische Version eines Genres, das andere Länder erst später erreichen soll. (tz)
88. MC Yankoo feat. Milica Todorovic »Moje Zlato« (2014)
140 Millionen Klicks. Für sehr lange Zeit ist »Moje Zlato« außerdem das einzige Musikvideo aus Österreich jenseits der 100 Millionen. MC Yankoo versorgt Wiens Außenbezirke und den gesamten Balkan mit Bangern. Und daheim wird er völlig ignoriert. Weil er auf Serbisch rappt. Dabei hätte ein Viertel der heimischen Bevölkerung Migrationshintergrund, die allermeisten davon stammen aus Ex-Jugoslawien. »Moje Zlato« – mit schmetternden Trompeten, Harmonikas und allen Händen in der Luft – ist dabei der vielleicht wichtigste Song dieser ÖsterreicherInnen. (sn)
87. The Rounder Girls »All To You« (2000)
Als größte Kunst gilt im Eurovision-Genre der implizit politische Beitrag. Im Jahr 2000 übernehmen ÖVP und FPÖ die österreichische Regierung, 300.000 DemonstrantInnen versammeln sich am Heldenplatz. Neben vielen anderen performen dort die Rounder Girls. Der ORF entscheidet sich, das Trio aus einer Österreicherin und zwei Migrantinnen im selben Jahr zum ESC zu schicken. Trotz Platz 14 im ESC-Finale gilt ihre Wahl als Repräsentantinnen Österreichs als weitere EU-Sanktion gegen die rechte Regierung. (tz)
86. Greta Keller »Blue Moon« (1935)
Sie war eine der ersten, die croonend die Möglichkeiten des Mikrofons erkundete. Sie sang am Broadway, spielte in Filmen, gab Marlene Dietrich Gesangsunterricht. Ihr zweiter Mann wurde ermordet, als sie von ihm schwanger war. Sie gab Konzerte in ihrem eigenen Nachtclub Chez Greta im exklusiven St. Moritz, sang für die höchste politische Prominenz im New Yorker Nobelhotel Waldorf Astoria und ist heute am Zentralfriedhof eine ehrenwerte Leich. »Blue Moon« ist eine frühe Aufnahme, ihre dritte für Decca, simpel, klassisch, virtuos. (sn)
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