50 Jahre läutet Marianne Mendts »Glock’n« nun schon 24 Stunden am Tag. Circa 438.000 Stunden sind das hochgerechnet bis heute. Gefühlt genauso viele Songs sind seither in Österreich geschrieben und produziert worden. Österreichischer Pop hat viele Gesichter und Geschichten – welche davon sind die wichtigsten?
75. Koenigleopold »Kohlhauser« (2012)
Als der echte Fleischhauer Kohlhauser aus dem steirischen Mönichwald mit einer Klage drohte, ging der Youtube-Hit endgültig viral – das Dada-Gesamtkunstwerk von Koenigleopold war vom ORF bis zur Krone Thema. Zum im steirischen Gebell vorgetragenen Wirtshauspalaver gesellt sich ein Video mit Untertiteln in Gaga-Englisch, das Lukas König und Leo Riegler im Bikini beim Waldbaden zeigt, ehe es zum psychedelischen Egoshooter wird. Ersterer begleitete auch Bilderbuch (Platz 2) auf Tour, spielte mit Mira Lu Kovacs (Platz 47) bei 5K HD und ist mit Clemens Wenger (Platz 94) in der Jazzwerkstatt aktiv. (ae)
74. Gilla »Tu es« (1975)
Gilla ist sexpositiv. Bereits ein Drittel aller deutschen Frauen nimmt die Antibabypille. Da fragt Gilla neckisch: »Willst du mit mir schlafen gehen?« Produziert hat die erste Gilla-Single Frank Farian. »Tu es« ist dann der Durchbruch, Gilla zieht mit Eurodisco-Größen wie Baccara, Abba oder Dalida gleich. Als Boney M. durch die Decke gehen, verschiebt sich der Fokus von Farian. Die Linzerin Gilla verglüht langsam mit müden Disco-Covers. Aber noch heute erzählt man sich auf Wikipedia, in Russland wäre sie ungemein populär. (sn)
73. Peter Cornelius »Du entschuldige – i kenn di« (1981)
»Kumm, wir streichen 15 Joar, hol’n jetzt ollas nach, als ob dazwischen afoch nix woar« – Wörter, die die Welt bedeuten. Der beim ORF-Talentwettbewerb »Showchance« entdeckte Peter Cornelius ist nicht nur Gitarrist mit Grammy-Nominierung, der »Reif für die Insel« zu einem geflügelten Wort machte. Er beherrscht die Klaviatur der Nostalgie wie kein anderer. Die verpassten Chancen im Leben stattet er mit Hoffnung aus: Es ist nie zu spät! Ein starker Trost für alle, die sich zur Sperrstunde mit glasigen Augen in den Armen liegen. (ae)
72. Christina Stürmer »Ich lebe« (2003)
Ziemlich genau zur selben Zeit, als Juliette Schoppmann ihres würdigen DSDS-Sieges beraubt wurde, wurde der falsche »Starmania«-Kandidat auf den ersten Platz gevotet. Es bleibt allerdings fraglich, ob Christina Stürmer die Charts im Anschluss ähnlich entschlossen gestürmt hätte, wäre sie Castingshow-Gewinnerin statt ungerecht behandelte Zweitplatzierte gewesen. »Own your narrative!« hat sich Christl jedenfalls zu Herzen genommen und das verträglich rebellische Rock-Girl für den österreichischen Musik-export sehr glaubhaft verkörpert. Sie lebt. (tz)
71. The Slaves »You Are The Only One« (1966)
Unter den vielen Epigonen der Beat-Welle, die Mitte der 60er auch das beschauliche Österreich treffen sollte, gelten The Slaves nicht zu Unrecht als versierteste Gruppe, schließlich zeigt der damals 16-jährige Rom Karl Ratzer, der es zu Weltruhm schaffen sollte, allerfeinstes Gitarrenhandwerk. Das beste der insgesamt nur sechs Stücke – die drei Singles sind heute alle höchstpreisig – ist eine klassische und erdige R&B-Nummer, die sich nicht hinter den Vorbildern aus dem UK verstecken muss. (do)
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