Diesen Samstag hätte eigentlich wieder der Record Store Day gefeiert werden sollen. Anstatt sich mit zahllosen anderen – alle angetrieben von einem Faible für kleine Plattenläden und/oder einem ausgeprägten Vinylfetisch – auf der Suche nach den begehrten RSD-Releases durch die Regalreihen zu drängeln, freuen wir uns in Corona-Zeiten schon, dass heimische Geschäfte seit Dienstag überhaupt wieder offen haben dürfen. Wie sich das Virus und die Einschränkungen, die es uns brachte, bislang auf sie ausgewirkt hat, erzählen uns LadenbetreiberInnen aus ganz Österreich.
Recordbag, Sylvia Benedikter und Axel Freud
Kollergerngasse 4, 1060 Wien, www.recordbag.at
Wie ist es deinem/eurem Plattenladen in den letzten Wochen ergangen? Ist es gelungen, den Umsatzentgang durch Online-Bestellungen halbwegs abzufedern?
Wir haben in den ersten Wochen sehr hart daran gearbeitet, unseren Webshop wieder etwas hinzubekommen. Sprich: Inventur und Lagerstand, und ob der Webshop-Artikelstand stimmt. Vor allem aber haben wir sehr viele Artikel im Webshop erst anlegen müssen. Die sogenannten Schnelldreher hatten wir nie am Webshop, weil es nicht nötig war. Die erste Zeit gab es dank unserer tollen StammkundInnen mehr als üblicherweise an Webshop-Bestellungen und auch Gutscheinverkauf, weil sie uns so unterstützen wollten. Mittlerweile ist es wieder abgeflacht. Aber für einen Shop, der davon lebt, direkt mit seinen KundInnen zu kommunizieren und zu fachsimpeln, ist der Webshop leider kein Ersatz – sowohl umsatztechnisch als auch als »lebensphilosophisches Geschäftsmodell« …
Wie hat sich die Lage seit Dienstag entwickelt? War es einfach, die Auflagen, die ans Wiederaufsperren geknüpft sind (Maskenpflicht, 20 m² pro Kunde), umzusetzen?
Wir haben etliche Besuche unserer StammkundInnen gehabt. Neue KundInnen gar nicht. Es wurden alle Vorschriften vorbildlich eingehalten. Bei uns dürfen (inklusive uns beiden) fünf Personen gleichzeitig im Shop sein. Es kam zu keiner Überschneidung, wir mussten also niemanden wegschicken bzw. warten lassen, bis jemand rausgeht. Eine Maske hat jeder mit. Es gab nur ein paar, die uns vorab angerufen und gebeten haben, bestimmte Artikel vorzubereiten, damit sie diese einfach nehmen und gleich wieder gehen können. Ansonsten sind alle – so wie früher – gerne länger geblieben, um zu plaudern und Musik zu hören. Viele haben betont, wie sehr sie sich freuen, endlich wieder im Plattenladen sein zu können und zu stöbern.
Ist eine der Unterstützungsmaßnahmen aus dem Corona-Hilfspaket bei dir/euch angekommen? Sind die Maßnahmen ausreichend, um den Fortbestand deines/eures Ladens zu gewährleisten?
Leider sind wir beim ersten Härtefallfonds nicht dabei gewesen. Wir hoffen nun aber darauf, am Montag beim zweiten Härtefallfonds dabei sein zu können. Also, das Zitat der Regierung »Es wird niemand zurückgelassen« stimmt zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die ersten Wochen waren enorm anstrengend – sich durch all die bürokratischen Mails und Antragsformulare zu arbeiten. Am meisten im Stich gelassen fühlt man sich in Bezug auf die Geschäftsmiete: dass das jeder für sich mit seiner Vermieterin/seinem Vermieter klären muss … Wir haben bis jetzt keine Einigung auf eine Mietzinsreduktion erreicht. Es wurde uns nur eine Stundung angeboten, aber in der derzeitigen Situation – mit einem nicht voll verfügbaren Geschäftsraum, keinen TouristInnen und keiner Laufkundschaft – wird uns ein Aufschieben der Mietforderung nicht entlasten. Wir werden uns gegen Ende Mai ansehen müssen, wie ein Fortbestand möglich ist.
Und zum Abschluss: Dein/euer Soundtrack für diese außergewöhnlichen Tage?
Die letzten Wochen über hat uns unsere Lieblingscompilation »Tea & Symphony (The English Baroque Sound 1968–1974)« immer wieder positiv gestimmt. Und wenn der Frustpegel wieder mal groß war, haben wir das Album Before & After von The Wannadies gehört – im Speziellen den Song »Piss On You«.
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